12.01.2024, 13:02 Uhr

Stromausfall: Mehr als 50 Prozent der britischen Atomkraftwerke sind abgeschaltet


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London – In Großbritannien ist derzeit mehr als die Hälfte der noch laufenden Atomkraftwerke ausgefallen und produziert keinen Strom. Gleich vier alte AGR-Atomreaktoren sind laut Angaben von EDF im Januar 2024 auf Grund technischer Probleme kurzfristig und unplanmäßig mitten im Winter vom Netz gegangen.

In Großbritannien schrumpft die britische Reaktorflotte wegen der kontinuierlichen Stilllegung alter Atomkraftwerke bereits seit Jahren. Bis 2028 sollen laut den aktuellen Planungen eigentlich noch weitere acht alte AGR-Atomkraftwerke abgeschaltet werden, sodass von der Bestandsflotte nur noch ein einziges AKW, das Kernkraftwerk Sizewell B in Suffolk mit einer Bruttoleistung von 1.250 MW zur Verfügung steht. Britische Minister wollen laut dem Guardian zwar neue Atomkraftwerke bauen, diese würden aber frühestens nach 2040 zur Verfügung stehen, wenn sie gebaut werden.

Versorgungssicherheit: Atomkraftwerke mit einer Leistung von ca. 3.300 MW ausgefallen

Die Großbritannien sind derzeit noch neun Atomkraftwerke mit einer Leistung von rd. 6.500 MW am Netz und stehen für die britische Stromversorgung zur Verfügung. Am Standort Heysham mit vier AGR-Atomkraftwerken ist derzeit ein Reaktor planmäßig wegen eines Brennstoffwechsels außer Betrieb. Allerdings mussten aktuell zusätzlich zwei weitere AKW-Blöcke wegen technischer Probleme am Dampfventil unplanmäßig abgeschaltet werden. Der Ausfall der drei Atomkraftwerke allein am Standort Heysham erreicht über 1.900 MW Kraftwerksleistung.

Wegen der technischen Probleme am Dampfventil in Heysham sind kurzfristig noch zwei weitere Atomkraftwerke (Standort Hartlepool) mit einer Bruttoleistung von 1.310 MW (je 655 MW) vom Netz genommen worden und werden überprüft. Sie stehen frühestens Ende des Monats bzw. Anfang Februar 2024 wieder für die Stromproduktion zur Verfügung.

Der aktuelle Ausfall der britischen Atomkraftwerke an den beiden Standorten Heysham und Hartlepool summiert sich damit auf 3.300 MW (3,3 GW) von insgesamt rd. 6.500 MW Atomkraftwerks-Gesamtleistung in Großbritannien (Stand: 12.01.2024).

Abschaltplan alter britischer AKW durch Verzögerungen beim Neubau von Hinkley Point C gefährdet

Der Neubau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C mit einer Bruttoleistung von 3.420 MW (2 AKW-Blöcke C1 und C2 mit je 1.720 MW brutto) verzögert sich und wird deutlich teurer als geplant. Eigentlich sollte Hinkley Point C schon am Netz sein, doch nach dem aktuellen Stand wurde die Inbetriebnahme nun auf den 01.06.2027 (C1) und den 01.06.2028 (C2) verschoben. Gleichzeitig ist bisher noch geplant, alle acht alten AGR-Kernkraftwerke mit über 5 GW Kernkraftwerksleistung bis 2028 abzuschalten.

Laut einem Guardian-Bericht will EDF die Abschaltung von vier britischen Atomkraftwerken nun aber um mindestens zwei Jahre verschieben, um „die drohende Lücke in der britischen Kernenergieversorgung gegen Ende des Jahrzehnts zu schließen.“ Das könnte auch darauf hindeuten, dass das Ersatz-Atomkraftwerk Hinkley Point C nicht bis zum Jahr 2028 fertig wird und erst später in Betrieb gehen kann als derzeit noch angegeben. Ob eine Verschiebung der Abschaltung alter AGR-Kernkraftwerke möglich ist, hängt maßgeblich vom Zustand und den - bekannten - Rissen im Graphitkern der Atomkraftwerke ab. Bis Ende des Jahres 2024 will EDF eine Entscheidung über eine Verlängerung treffen.

Britische Minister legen Ausbauplan für Reaktorflotte vor – Plan von Boris Johnson

Britische Minister haben laut dem Guardian unterdessen einen Fahrplan veröffentlicht, wonach bis 2050 eine Reaktorflotte mit einer Leistung von 24 GW vorhanden sein soll. Die Genehmigungen würden allerdings erst zwischen 2030 und 2044 erteilt. Bei Bauzeiten von mindestens 10 Jahren wird danach vor 2040 kein weiteres Atomkraftwerk in Betrieb gehen können, vorausgesetzt, dass der Plan auch tatsächlich umgesetzt wird.

Quelle: IWR Online

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