Strompreise: Grünen-Gutachten bestätigt Benachteiligung von Privatkunden
Berlin - Ein Kurzgutachten von Gunnar Harms im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen bestätigt die Benachteiligung von privaten Stromkunden, die bislang nicht von den stark gesunkenen Börsen-Strompreisen profitieren. Harms, Ingenieur für Energietechnik und Vorstand im Bund der Energieverbraucher, kommt zu dem Ergebnis, dass die Strompreise im Börsenhandel im vergangenen Jahr je nach Marktsegment um 10 bis 20 Prozent gesunken sind. Der Atomausstieg habe nicht zu den befürchteten Preissteigerungen geführt. Als Gründe für die sinkenden Börsen-Strompreise werden ausreichende Erzeugungs-Kapazitäten, ein geringerer Stromverbrauch und eine erhöhte Einspeisung von Erneuerbaren Energien genannt. Das aus den gesunkenen Einkaufspreisen Entlastungspotential für die privaten Haushalte wird in der Studie mit rund 500 Mio. Euro für das Jahr 2013 gegenüber 2012 beziffert, jedoch sei fraglich, ob diese Preissenkungen weitergegeben werden bzw. mit den preissteigernden Effekten bei den Netzentgelten und der EEG-Umlage verrechnet werden. Die Vergnagenheit zeige, dass gestiegene Einkaufspreise stets unverzüglich weitergegeben wurden, während dies bei Preissenkungen zumindest im Segment der Haushaltskunden nicht der Fall gewesen sei. Aktuell müsste der Strompreis zwei Cent die Kilowattstunde niedriger liegen, wenn die Versorger die gesunkenen Einkaufspreiseaus der Vergangenheit an die Verbraucher entsprechend weitergereicht hätten.
Einkommensschwache Haushalte subventionieren Chemie- und Zementindustrie
Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende bei den Grünen, zeigt sich empört: "Die Stromrechnungen für die privaten Haushaltskunden steigen unaufhaltsam, weil sie von Stromanbietern und der Politik gleichzeitig in die Zange genommen werden. Stromversorger wie E.on oder RWE machen erhöhte Gewinne, weil sie gesunkene Einkaufspreise nicht weiter geben. Und die Bundesregierung lädt die Kosten der Energiewende hauptsächlich bei den Verbrauchern ab, indem sie die Unternehmen breit entlastet. Das geht so nicht weiter."
Die Verbraucher müssten verstärkt den Stromanbieter wechseln, so die Empfehlung Höhns. Wenn die Wechselquote steige, würden die angestammten Versorger merken, dass man dieses Kundensegment bei Preissenkungen nicht vergessen darf. Zudem müssten die Lasten der Energiewende dringend gerechter verteilt werden. Es könne nicht sein, dass einkommensschwache Haushalte die Netzentgelte und die Förderung der Erneuerbaren Energien für die stromintensive Industrie mit bezahlen. Diese verdeckte Subventionierung nähere sich rasant der 100 % Marke im Jahr, die ein Haushalt für ein Chemie- oder Zementunternehmen mit bezahle.
IWR: Paradoxer EEG-Vermarktungs-Mechanismus gehört auf den Prüfstand
Auch das IWR macht seit längerem auf die Tatsache aufmerksam, dass der Börsen-Strompreis auch nach der Energiewende und dem Atomausstieg sinkt, aber diese Entlastungen nicht beim Stromkunden ankommen. Darüber hinaus führt der gesunkene Börsen-Strompreis zu einer erhöhten EEG-Umlage. Dass die EEG-Umlage im kommenden Jahr stärker als notwendig steigen wird, liegt nicht an den steigenden Ausgaben, sondern an dem paradoxen Effekt, dass die erneuerbaren Energien den Strompreis an der Börse deutlich senken. Dieser EEG-Vermarktungs-Mechanismus gehört nach Meinung IWR-Direktor Dr. Norbert Allnoch dringend auf den Prüfstand. Auch das preispolitische Verhalten der Stromversorger ist bekannt. Allnoch: "Die Stromversorger geben zwar die steigende EEG-Umlage, nicht aber die durch erneuerbare Energien gesunkenen Großhandelspreise an die Verbraucher weiter."
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