23.01.2013, 15:59 Uhr

Warum der Klimawandel nicht mehr stattfindet

Münster / Frankfurt / Zürich, Schweiz – In jüngerer Vergangenheit waren viele Jahre zu warm. Die Temperaturen lagen über dem langjährigen Durchschnitt. Das kann sich jetzt ändern. Bei der Frage, ob ein Jahr zu warm oder zu kalt ist, spielt der Vergleichszeitraum eine entscheidende Bedeutung. Bisher wurde in der Regel ein 30-jähriger Vergleichszeitraum (1961 – 1990) herangezogen. Erst nach Ablauf der nächsten 30 Jahre (1991 – 2020), d.h. ab 2021, würde auf internationaler Ebene ein neuer Referenzzeitraum 1991 – 2020 gelten. Die World Meteorological Organization (WMO) empfiehlt inzwischen aber insbesondere für kurzfristigere Vergleiche eine weitere Referenzperiode (1981 - 2010), die neben dem für internationale und langfristige Vergleiche geltenden Zeitraum 1961 - 1990 herangezogen werden soll. Das hat Konsequenzen.

Klimawandel kann ausgetrickst werden – weiterer Vergleichszeitraum eingeführt

Die WMO empfiehlt seinen rund 190 Mitgliedern wie z.B. dem Deutschen Wetterdienst (DVD) insbesondere für kurzfristigere Vergleiche neuerdings parallel zum 30-jährigen Vergleichszeitraum (1961 – 1990) einen weiteren Vergleichszeitraum (1981 - 2010). Da die letzten Jahre häufig zu warm ausgefallen sind, machen sich die höheren Temperaturen jetzt verstärkt im Mittelwert der Vergleichsperiode 1981 - 2010 bemerkbar und heben das Durchschnittsniveau an. Die Konsequenzen: Ein aktuelles Jahr, z.B. 2012, das im Vergleich zur Referenzperiode 1961 – 1990 mit den niedrigeren Durchschnittswerten zu warm ausfällt, ist im Vergleich zur Referenzperiode 1981 – 2010, in die bereits die warmen Jahre berücksichtigt werden, plötzlich ein "normales" Jahr.

Schweiz führt neue Klima-Referenzperiode ein

Auch die Schweiz hat sich nun dazu entscheiden, gemäß der Empfehlung der WMO die neue Klimanormwertperiode 1981 - 2010 statt des Zeitraums 1961 - 1990 für ihre Auswertungen, Berichte und Produkte zu verwenden und macht so warme Jahre zu durchschnittlichen Jahren. Wenn das Schweizer Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz also in Kürze über den Monat Januar 2013 berichtet, wird dort ein Vergleich zur alten Periode nicht mehr zu finden sein. Auf IWR-Nachfrage erklärte ein Sprecher von MeteoSchweiz, dass das Land damit nachziehe. Viele andere Staaten hätten diesen Schritt bereits umgesetzt.

Warme Jahre werden zu durchschnittlichen Jahren

MeteoSchweiz räumt darüber hinaus ein, dass die Verwendung der Normperiode 1981 - 2010 auch Konsequenzen für die Kommunikation der Klimaänderung mit sich bringt. Durch den Einsatz der neuen Temperatur-Normwerte wird ab sofort wieder vermehrt von Jahren die Rede sein, die bezüglich Temperatur als "normal" oder "kühler als normal" eingestuft werden. Dies einfach deshalb, weil die neue Vergleichsbasis wärmer ist. An der Tatsache, dass sich das globale und lokale Klima in den letzten Jahrzehnten signifikant erwärmt habe, ändere diese neue Einstufung allerdings nichts, so das Bundesamt. Ein eher durchschnittliches Jahr bezüglich der Periode 1981 - 2010 kann sehr wohl eines der wärmsten im Vergleich mit der gesamten, bald 150 jährigen Messreihe seit 1864 sein.

Medien können Klimawandel unterschiedlich darstellen

Die zusätzliche Vergleichsperiode und die verschiedenen Angaben ermöglichen es den Medien, den Klimawandel in unterschiedlicher Intensität darzustellen. Ein gutes Beispiel dafür ist das soeben zu Ende gegangene Jahr 2012, das in der Schweiz mit einer leicht positiven Abweichung von +0,5 Grad Celsius gegenüber der Periode 1981 - 2010 als das neuntwärmste Jahr seit Messbeginn im Jahr 1864 in die meteorologischen Jahrbücher eingegangen ist. Auch für Deutschland ist dieser Effekt feststellbar. Vergleicht man das Jahr 2012 mit der alten Periode, so war es um +0,9 Grad Celsius zu warm, wird aber mit der neuen Periode verglichen, so waren es lediglich +0,2 Grad Celsius. Beide Werte werden vom DWD angeboten. Je nach Ausrichtung eines Redaktuers können die Zahlen mit Blick auf dem Klimawandel als "alarmierend" oder "harmlos" präsentiert werden.


© IWR, 2013