Windenergie-Urteil: Behörden müssen Vorrang Erneuerbarer Energien berücksichtigen
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Greifswald - Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien (EE) in das EEG aufgenommen. Die Errichtung und der Betrieb von EE-Anlagen liegen damit im überragenden öffentlichen Interesse. Ein aktuelles Urteil aus Greifswald greift diesen Grundsatz auf und fordert von der zuständigen Genehmigungsbehörde mehr Tempo.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald hat in einem Urteil in der letzten Woche (07.02.2023) entschieden, dass ein klagendes Windenergieunternehmen einen Anspruch auf Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage hat (Az. 5 K 171/22 OVG). Das OVG stellte fest, dass die für die Genehmigung zuständige Behörde nicht in angemessener Frist über den Antrag entschieden habe. Hauptverzögerungsgrund war der Umgang mit Fragen des Denkmalschutzes. Zudem betonen die Richter den 2022 im EEG verankerten Grundsatz des überragenden öffentlichen Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien.
Überwiegendes Öffentliche Interesse verlangt Maßnahme zum Windausbau
Ein Windenergieunternehmen hatte im Rahmen eine Untätigkeitsklage gegen das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (StALU) geklagt. Im konkreten Fall war der Antrag des Unternehmens seit 2020 bei der Behörde vollständig eingereicht. Nach einem Einspruch des Landesamtes für Kultur- und Denkmalpflege (LAKD) hatte das StALU keine Entscheidung mehr getroffen, obwohl die Gesetzeslage Fristen von sieben bzw. im Falle vereinfachter Verfahren drei Monaten vorsieht und die Genehmigungsbehörde den Einwand prüfen und zu einer eigenen Überzeugung kommen muss.
Nach Auffassung der Richter am OVG Greifswald hat der Beklagte nicht in einer angemessenen Frist gemäß § 75 VwGO i. V. m. § 10 Abs. 6a Bundesimmissionsschutzgesetz über den Antrag des Windenergieunternehmens entschieden. Durch die ablehnende Stellungnahme des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD) sei der Beklagte nicht gehindert gewesen, über den Antrag zu entscheiden.
Nach Einschätzung des Gerichtes hätte die Genehmigungsbehörde die Beurteilung des Denkmalpflegeamtes überprüfen und sich eine eigene Überzeugung bilden müssen. Zudem ist die Untätigkeitsklage nach richterlicher Einschätzung auch deshalb begründet, da das Vorhaben das Erscheinungsbild der betroffenen Denkmäler (Gutshaus, Park und Kirche) nicht erheblich beeinträchtigen werde. Es sei deshalb nicht nach dem Denkmalschutzgesetz genehmigungsbedürftig.
Aber selbst wenn man eine erhebliche Beeinträchtigung unterstellte, wäre das Vorhaben zu genehmigen, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangte. Insoweit bestimmte nämlich § 2 EEG ein überragendes öffentliches Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Windkraftanlagen. Das Denkmalschutzinteresse habe im vorliegenden Einzelfall deshalb zurückzustehen, so die Richter.
EE-Ausbau vor Denkmalschutz: BWE begrüßt Herausstellung der Hierarchie der Belang
Das Urteil könnte nach Einschätzung des Bundesverbandes Windenergie (BW) Maßstäbe setzen. „In seiner Entscheidung hat das OVG in Greifswald den Fokus ganz klar auf § 2 EEG gelegt: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien steht im überragenden öffentlichen Interesse und ist somit in der Schutzgüterabwägung entsprechend gewichtig einzubeziehen“, so BWE-Präsident Hermann Albers. Darauf habe bereits die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern in einem Anwendungsrundscheiben hingewiesen. Das StALU hatte trotzdem noch im Verfahren die Nichtanwendbarkeit des § 2 EEG vorgetragen.
Gerade der Umgang mit Belangen des Denkmalschutzes entwickelt sich nach Angaben des BWE seit einiger Zeit zu einem der größten Hindernisse beim Ausbau der Windenergie an Land. „Wir begrüßen, dass das OVG hier die Hierarchie der Belange deutlich herausgestellt hat. Trotzdem bedarf es nach unserer Auffassung auch einer gesetzgeberischen Entscheidung in diesem Zusammenhang“, so Albers weiter.
Das Urteil zeigt für den BWE zudem deutlich, dass Untätigkeitsklagen kein stumpfes Schwert sind. Die Tatsache, dass das OVG herausstelle, dass Behörden entscheiden müssen, sei eine wichtige Klarstellung., so Albers weiter. „Die Schlussfolgerung aus dem Urteil ist, dass in den Genehmigungsprozess mehr Dynamik kommen kann. Dies wird dazu beitragen, die politischen Ziele für den Ausbau der Windenergie zu erreichen“, ergänzt Albers.
Weitere Taten wegen Untätigkeit am OVG Greifswald anhängig
Weitere Klagen wegen Untätigkeit sind beim OVG in Greifswald noch anhängig. Das Urteil ist die zweite grundsätzliche Entscheidung innerhalb weniger Monate für den Ausbau der Windenergie. Erst im vergangenen November hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, dass ein Gesetz aus Thüringen, das die Nutzung von Waldgebieten für die Windenergie pauschal untersagt, nicht verfassungskonform ist.
Quelle: IWR Online
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