12.12.2008, 15:30 Uhr

Klimaschutz: Einigung in Brüssel - Umweltverbände kritisieren Gipfelergebnisse

Brüssel – Die 27 Staats- und Regierungschefs haben sich auf dem EU-Gipfel auf einen Kompromiss bei den noch offenen Klimafragen geeinigt. Grundlage waren die Beschlüsse des EU-Gipfels vom Frühjahr 2007 und die noch offenen Klärungspunkte. Während über den Ausbau Erneuerbarer Energien auf einen Anteil von 20 Prozent Konsens (EU-Richtlinie) bestand, waren die Regelungen zur Ausgestaltung des Emissionshandels und Lastenverteilung für energieintensive Betriebe bis zuletzt strittig.

Der jetzt ausgehandelte Kompromiss sieht im Hinblick auf den Emissionshandel vor, für den Bereich der Energieerzeugung Emissions-Zertifikate erst ab 2020 zu 100 Prozent zu verkaufen. Die Kommission hatte ursprünglich das Jahr 2013 angestrebt. Damit sei man Polen und anderen osteuropäischen Staaten entgegen gekommen, so die Bundesregierung. Ein Teil der Zertifikatserlöse soll in eine Art „EU-Klima-Fonds“ fließen und insbesondere osteuropäische Länder beim Aufbau einer energieeffizienten Energieerzeugung unterstützen. Im Gegenzug sollen im internationalen Wettbewerb stehende Industrien wie die Zement- und Stahlproduzenten unter bestimmten Bedingungen kostenlose Zertifikate erhalten. Diese Regelung sei notwendig geworden, um die Abwanderung energieintensiver Betriebe in Länder ohne Klimaschutzregime zu verhindern, was den Verlust vieler Arbeitsplätze bedeutet hätte.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel begrüßte die Entscheidungen des Gipfels. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sei ein klimaschutz- und industriepolitisch gutes Ergebnis erzielt worden. Diese Entscheidung stelle sicher, dass das klimaschutzpolitische Ziel Europas erreicht werde. Europa werde damit auch weiterhin seine Vorreiterrolle auf dem internationalen Klimaschutzparkett wahrnehmen, erklärte Gabriel.

Auf Seiten der Umweltverbände stießen dagegen die Ergebnisse zum Emissionshandel und der erzielte Kompromiss zur Lastenverteilung für energieintensive Betriebe auf heftige Kritik.

Europa hat führende Rolle beim Klimaschutz verspielt

Mit den Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs zum Klimapaket in Brüssel habe die Europäische Union leichtfertig ihre bisherige Führungsrolle im globalen Kampf gegen den Klimawandel verspielt. Statt intelligenter Investitionsanreize durch einen klaren Preis für den Kohlendioxid-Ausstoß erhalte die Industrie die meisten Verschmutzungsrechte weiterhin kostenlos. Damit seien die weltweiten Klimaschutzziele nicht zu erreichen, kritisiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Klimapaket löchrig wie ein Schweizer Käse

Ähnlich bewertet auch der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger die Gipfel-Ergebnisse. „Wenn Klimaschutz den kurzfristigen Interessen der Industrie geopfert wird, kommt uns das teuer zu stehen. Als Klimakanzlerin hat sich Frau Merkel endgültig entzaubert", so Weiger. Die EU mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze betreibe eine kurzsichtige Industriepolitik, die Klimaschutz gegen Arbeitsplätze ausspiele. Dies schade nicht nur der hiesigen Wirtschaft, es untergrabe auch die klimapolitischen Ambitionen des künftigen US-Präsidenten Barack Obama und schmälere die Aussichten auf ein wirksames Kyoto-Abschlussabkommen im nächsten Jahr.

Emissionshandel entscheidend geschwächt

Der WWF spricht von einem „Schwarzen Tag“ für das Weltklima. Der Rat der Europäischen Union habe entscheidende Punkte für einen effektiven Schutz des Klimas gestrichen. Insbesondere die deutsche Bundesregierung habe das Herzstück des Energie- und Klimapaketes, den Emissionshandel, entscheidend geschwächt. Die Kanzlerin habe jegliche Versteigerung der Verschmutzungszertifikate für das produzierende Gewerbe verhindert, kritisiert Regine Günther, Leiterin Energie und Klima vom WWF Deutschland. "Die größten Verschmutzer dürfen die Atmosphäre weiterhin kostenlos belasten. Dies ist ein fatales Signal an die europäische Industrie, die in den kommenden Jahren keine Anreize erhält, sich auf eine CO2-arme Zukunft vorzubereiten", so Günther weiter. Ein gravierendes Manko des Pakets seien darüber hinaus die vorgesehenen Regelungen zum Clean Development Mechanism (CDM / JI). Die EU-Mitgliedsstaaten und ihre Industrie könnten dadurch weit mehr als die Hälfte ihrer Emissionsverpflichtungen ins Ausland verschieben. Das Ziel der EU, die globale Temperaturerhöhung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, werde mit diesem Paket nicht erreicht.

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