24.07.2014, 10:49 Uhr

AKW-Abriss: warum ein staatlicher Fonds nicht vor der Pleite schützt

Münster – Nach dem Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland stellt sich die Frage nach dem Rückbau stillgelegter Atomkraftwerke. Für diesen Zweck haben die Energieversorger kein Geld zurückgelegt, sondern lediglich Rückstellungen gebildet. Darum läuft auch die Forderung nach einem staatlichen Fonds für den AKW-Abriss ins Leere.

Es klingt zunächst einmal gut: um die Steuerzahler vor milliardenschweren Lasten des AKW-Abrisses zu schützen, sollte ein öffentlich-rechtlicher Fonds in Betracht kommen. Darin sollten die AKW-Betreiber ihre Rücklagen übertragen. So lautete noch die Devise und der Plan aus Regierungskreisen Ende letzten Jahres. Seither ist es um diese Idee still geworden. Hinter der Fonds-Idee verbirgt sich grundsätzlich die Angst, dass die Atomkonzerne für den AKW-Abriss und die Endlagerung finanziell nicht ausreichend vorgesorgt haben. Die Sorge ist nicht unbegründet.

Fonds-Idee hilft nicht: Rückstellungen sind keine Rücklagen

Ein weit verbreiteter Irrtum in der Bevölkerung ist der Glaube, dass die Energieversorgungsunternehmen und AKW-Betreiber tatsächlich Geld für den Rückbau der Atomkraftwerke zurückgelegt, d.h. im Sinne von Eigenkapital bzw. Rücklagen auf der hohen Kante haben. In Wahrheit haben die AKW-Betreiber keine Rücklagen, sondern nur Rückstellungen gebildet. Ein kleiner, aber gravierender Unterschied mit erheblichen Folgen. Vereinfacht ausgedrückt werden in der Bilanz unter der Position Rückstellungen lediglich die Verbindlichkeiten (quasi Vorab-Rechnungen) aufgeführt, die noch zu bezahlen sind und deren Höhe in Summe noch nicht endgültig bekannt ist. Im Unterschied zu Rückstellungen sind die Rücklagen dagegen echtes Eigenkapital.

Rückstellungen führen nicht zum Geldfluss. Rückstellungen drücken lediglich den Gewinn vorab im aktuellen Bilanzjahr und damit die Steuerlast, ohne dass ein einziger Euro fließt, d.h. Rückstellungen sind nicht cash- bzw. zahlungswirksam. Die eigentlichen Zahlungen erfolgen erst deutlich bzw. viele Jahre später, wenn der Abriss der Atomkraftwerke tatsächlich erfolgt. Weil in der Vergangenheit aber nur die Gewinnsteuerlast vorab gesenkt, faktisch kein Geld in Höhe der ungewissen Verbindlichkeiten zum Rückbau der Atomkraftwerke zurückgelegt wurde und mit der Bildung von Rückstellungen auch kein Geld fließt, kann auch kein "bisheriges Geld" in einen Abriss-Fonds eingezahlt werden. Eine "noch zu bezahlende Rechnung" (mehr bedeutet eine Rückstellung nicht) lässt sich nicht in einen Fonds übertragen.

Vattenfall erhöht AKW-Rückstellungen – erst der Anfang?

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat für den Abriss der Kernenergie-Anlagen die Rückstellungen im ersten Halbjahr 2014 um etwa 600 Mio. Euro erhöht. Ende 2013 hatte Vattenfall für die AKWs in Brunsbüttel und Krümmel Rückstellungen in Höhe von zusammen knapp zwei Mrd. Euro bilanziert.

Auch andere Stromversorger dürften in den nächsten Jahren ihre Rückstellungen für den AKW-Abriss erhöhen. Das senkt schon vorab den Gewinn und die Steuerlast des Versorgers, obwohl die eigentlichen zahlungswirksamen Kostenbelastungen für den AKW-Abriss erst viele Jahre später anfallen. Auch die jetzt von Vattenfall vorgenommene Erhöhung der Rückstellungen um 600 Mio. Euro führt zu keinerlei Geldfluss auf irgendein Konto, sondern nur buchungstechnisch zur Gewinnsteuersenkung. Ob die Finanzmittel später, wenn der Abriss der Atomkraftwerke erfolgt und die Gelder benötigt werden, tatsächlich vorhanden sind, steht auf einem ganz anderen Blatt und wird auch nicht geprüft.

Zahlen Stromverbraucher bald zusätzlich für die Atom-Ewigkeitslasten?

Angesichts der zu erwartenden hohen Kosten für den Abriss von Atomkraftwerken und der Endlagerung ist die Sorge nicht unbegründet, dass den AKW-Betreibern irgendwann das Geld fehlt. Ein staatlicher Fonds hilft hier nicht weiter. IWR-Direktor Dr. Norbert Allnoch erklärte in einem Interview mit der Zeitschrift „Energie & Management“: „Ich wage die Prognose, dass es nicht mehr lange dauert, bis wir über die Finanzierung der Atom-Ewigkeitslasten über den Strompreis oder aus Steuermitteln reden.“ Die Endrechnung für die Nutzung der Kernenergie könnte für die Stromverbraucher bzw. den Steuerzahler damit weit höher ausfallen, als bisher gedacht.

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