22.02.2016, 08:37 Uhr

Elektrisch Fliegen: Wo die Herausforderungen in der Luftfahrt liegen

Stuttgart - Elektrisches Fliegen ist emissionsfrei, leise und energieeffizient. Doch welche technologischen Hürden gilt es noch zu nehmen, bis Elektromobilität in die Luft gehen kann? Darüber haben sich Vertreter aus Wissenschaft und Industrie bei einem Symposium in Stuttgart ausgetauscht.

Das vom Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Institut für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart und der Einrichtung DLR-Flugexperimente hat über 100 Akteure zum Thema elektrisches Fliegens zusammengebracht. Prof. Josef Kallo, Koordinator in der Gruppe Energiesystemintegration am DLR-Institut für Technische Thermodynamik, geht davon aus, dass das Thema elektrisches Fliegen in den nächsten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommt.

Forscher aus Japan, Europa und den USA tüfteln an elektrischen Flugkonzepten

Kallo ist auch Leiter des Instituts für Energiewandlung und -speicherung an der Universität Ulm und Leiter des Projekts HY4, dem weltweit ersten Passagierflugzeug, das ausschließlich mit einem Brennstoffzellen-Batterie-System angetrieben werden soll. Er erklärte, dass die Gruppe des HY4-Projektes derzeit die benötigten Antriebskomponenten in das Flugzeug einbauen und im Sommer der Erstflug gestartet werden soll. Kallo ist der Auffassung, dass auch Passagierflüge mit diesem Hybridsystem möglich sind. Weltweit gebe es viele interessante Projekte im Bereich des elektrischen Fliegens: Bei der NASA arbeiten Forscher an einem batteriebetriebenen Flugzeug mit zehn, über die Tragflächen verteilten Elektromotoren, das auf sehr kurzen Strecken abheben können soll. Die Kollegen der japanischen Luft- und Raumfahrtagentur JAXA haben zudem ein modulares und ebenfalls batteriebasiertes Antriebskonzept vorgestellt, so Prof. Josef Kallo.

Elektrische "Air Taxis" vernetzen Regionalflughäfen

DLR-Experte Kallo erklärte weiter: „Im Bereich der kommerziellen Luftfahrt zeigen erste Studien, dass Antriebskonzepte für ein Regionalflugzeug mit bis zu 40 Sitzen und einer Reichweit von bis zu 700 Kilometern durchaus machbar sind, auch wenn die technischen Herausforderungen groß sind. Das Thema elektrisches Fliegen wird sicher in den nächsten Jahren viel Interesse erfahren.“

Aus Sicht von Kallo eignen sich elektrisch betriebene Flugzeuge vor allem dazu, als Air Taxis die Regionalflughäfen, die ein- oder zweihundert Kilometer auseinanderliegen, besser zu vernetzen oder mit größeren Flughäfen zu verbinden. Hier sei die Zeitfrage oft ein entscheidendes Kriterium. Die Europäische Union habe sich mit den ACARE-Zielen, neben der Minderung von Emissionen auch die Aufgabe gestellt, ihren Bürgern die europaweite Reise von Tür zu Tür in nur vier Stunden zu ermöglichen. Ersten Berechnungen zufolge können elektrische Antriebe aufgrund ihrer höheren Effizienz als Baustein für diesen Anwendungsfall durchaus konkurrenzfähig sein, so Kallo. Dazu müsse man die Entwicklungskosten separat betrachten. Die für diesen Bereich benötigte Technologie werde relativ zeitnah zur Verfügung stehen. Ob sich dann ein Markt dafür ergibt, sei eine andere Frage.

Als größte Herausforderung bezeichnete Kallo das Zusammenspiel von Elektromotor, Leistungselektronik und Energieverteilung. Wichtig sei, die notwendige Zuverlässigkeit zu erreichen sowie die für die Zulassung im Luftverkehr notwendigen Redundanzen im System zu schaffen. Bei Batterien gelte es, die Zyklenstabilität weiter zu steigern und maßgeschneiderte Systeme für die Anwendung im Flugzeug auszulegen und zertifiziert zu bekommen. Im Bereich der Brennstoffzellenentwicklung stehen laut Regelungsstrategien im Vordergrund, um diese bei unterschiedlichen Flughöhen möglichst effizient und zuverlässig betreiben zu können.

Sauberer Luftverkehr für wachsende Ballungsgebiete

Chancen sieht der DLR-Fachmann vor allem im kürzeren Streckenbereich: Dort habe elektrisches Fliegen das Potenzial, als Türöffner zu dienen, um neue Verkehrskonzepte aufzubauen. Kallo weiter: „In Zukunft werden wir auf der ganzen Welt immer mehr städtische Ballungsräume und Megacities haben, die sich über mehr als hundert Kilometer ausdehnen und mehr als zehn Millionen Einwohner haben. Hier stellt sich die Frage, ob wir mit einem rein bodengebundenen Verkehr noch flexibel genug agieren können oder für Transport auch auf den Luftraum zurückgreifen müssen. Effiziente, elektrisch betriebene Flugzeuge würden sich hier besonders gut eignen, um die urbane Umweltproblematik nicht weiter zu verschärfen.“ Eine weitere Einsatzmöglichkeit sieht er in der schnellen Anbindung strukturschwächerer Gebiete an größere Zentren mit wenig zusätzlicher Infrastruktur.

Quelle: IWR Online

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