17.03.2016, 15:45 Uhr

BEE, EEX, VKU und Öko-Institut zum Strommarktgesetz

Berlin – Das Strommarktgesetz steckt mitten im parlamentarischen Verfahren. In dieser Woche hat der Bundestags-Ausschuss für Wirtschaft und Energie einige Experten zu diesem Thema angehört. Die Meinungen sind teilweise widersprüchlich, dennoch soll das Gesetz planmäßig noch im Frühjahr 2016 verabschiedet werden.

So erwartet der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) Mehrkosten, die vor allem private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen sowie kleine Energieversorger treffen würden. Das Wirtschaftsministerium (BMWi) versuche Versorgungssicherheit herzustellen, indem es die Regulierung weiter verschärfe. Hingegen spricht die Strombörse EEX davon, dass die Politik dem Markt vertraue. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Stromspeichern.

BEE: Lücken im Gesetzentwurf bei Flexibilisierung und Sektorkopplung

Der BEE zählte zwar nicht zu den geladenen Sachverständigen, hat aber unabhängig davon seine Positionen zum Thema zum Ausdruck gebracht. „Das neue Strommarktgesetz muss die Hindernisse für den verstärkten Einsatz von Speicher beseitigen“, forderte BEE-Geschäftsführer Hermann Falk. Einige Punkte fehlen aus Sicht von Falk im Gesetzentwurf. Er nannte z.B. die Dynamisierung von Preiselementen, um Stromerzeuger und -verbraucher zu einer effizienten Netznutzung zu motivieren. Dies würde auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle unterstützen, um Flexibilität auf der Lastseite zu ermöglichen. So könnte etwa für eine eingeschränkte Netznutzung ein Preisnachlass gewährt werden. Falk bringt eine weitere Idee auf den Tisch: „Eine weitere Möglichkeit wäre, die EEG-Umlage künftig veränderlich an den Spotmarktpreis von Strom zu koppeln, was zu einer flexibleren Stromnachfrage führen würde und negative Strompreise bekämpfen könnte.“

Zudem fehlen aus Sicht der Erneuerbaren-Verbandes Maßnahmen für eine Sektor-Kopplung. Durch die Kopplung der Sektoren Wärme, Mobilität und Rohstoffgewinnung lasse sich eine Lastverlagerung und Speicherung von Strom erreichen, was zu einer gleichmäßigeren und damit höheren Netzauslastung führe. Im Gegensatz zur Kappung von Stromspitzen könne dann überschüssige Energie sinnvoll genutzt werden. Möglichen Netzüberlastungen könne man so vorbeugen. Grundsätzlich begrüßt der BEE die Weiterentwicklung des Strommarktes durch die Bundesregierung und deren Absage an Kapazitätsmarktregelungen. Der weiterentwickelte Strommarkt, ergänzt durch die Kapazitätsreserve, sorge für ausreichend Versorgungssicherheit.

VKU findet Gesetzentwurf nicht marktorientiert

VKU-Vertreterin Katherina Reiche, die viele Jahr als parlamentarische Staatssekretärin im Umwelt und- Verkehrsministerium wirkte, hat vor erheblichen Mehrkosten durch die von der Bundesregierung geplante Reform des Strommarktes gewarnt. Das Wirtschaftsministerium versuche, Versorgungssicherheit herzustellen, indem es die Regulierung weiter verschärfe. Das stehe in eklatantem Widerspruch zum mehrfach betonten Bekenntnis zu Markt und Wettbewerb, so Reiche. Außerdem bemängelte der Stadtwerke-Verband, dass wichtige Fragen des Strommarktes der parlamentarischen Kontrolle entzogen und an die Bundesnetzagentur sowie an das Ministerium delegiert würden.

EEX fordert europäische, nicht nationalstaatliche Lösung

Dr. Tobias Paulun von der EEX-Gruppe (Strombörse Leipzig) lobte den Entwurf, der auch zur richtigen Zeit komme. Er zeige, dass die Politik dem Markt vertraue. Als kritikwürdig sieht er allerdings die regulierungsintensiven Komponenten, insbesondere die Schaffung verschiedener Reserven an. Langfristig empfahl Paulun die Nutzung der Potenziale des europäischen Binnenmarktes, was wie ein aktuelles Statement zur Flüchtlingspolitik klingt: "Ziel muss eine europäische, nicht nationalstaatliche Lösung sein", so Paulun.

Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, will die Bundesregierung eine Kapazitätsreserve außerhalb des Strommarktes einführen, die bei Bedarf eingesetzt werden soll. Die Reserve soll technologieneutral sein und wettbewerblich ausgeschrieben werden. Braunkohlekraftwerke sollen zudem schrittweise aus dem Netz genommen werden und dann übergangsweise auf Abruf für die Stromversorgung zur Verfügung stehen.

Vor- und Nachteile eines Kapazitätsmechanismus

Eva Hauser vom Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) bezeichnete es als „schwer vorstellbar“, dass ausgerechnet Braunkohlekraftwerke mit ihren langen Vorlaufzeiten als Kapazitätsreserve geeignet sein sollten.

Prof. Dr. Christoph Weber von der Universität Duisburg-Essen erklärte im Rahmen der Anhörung, dass die Kapazitäts- und Netzreserve für eine Übergangsphase vertretbar sei. Längerfristig aber erscheine ein Kapazitätsmechanismus vorteilhafter. Denn nur ein solcher Mechanismus würde Anreize für Investitionen in flexible konventionelle Komplemente zu den erneuerbaren Energien setzen.

Dem widersprach Dr. Christoph Maurer von der Consentec GmbH in seiner Stellungnahme. Die Entscheidung für den Strommarkt 2.0 und gegen die Einführung eines Kapazitätsmarktes sei richtig und könne eine weitere effiziente Umsetzung der Energiewende unterstützen. Dagegen würden Kapazitätsmärkte unter anderem zum ineffizienten Aufbau von Überkapazitäten führen. Innovationen würden verhindert. Auch die EEX-Gruppe sprach sich gegen einen Kapazitätsmarkt aus. Zuletzt zeigte sich E.ON-Chef Johannes Teyssen weiter davon überzeugt, dass ein Kapazitätsmarkt irgendwann zwangsläufig kommen werde.

Quelle: IWR Online

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