21.01.2015, 12:34 Uhr

Gabriel contra Teyssen: Debatte um Strom-Kapazitätsmarkt spitzt sich zu

Münster – Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich in der Stromdiskussion klar gegen einen sogenannten Kapazitätsmarkt ausgesprochen. E.ON-Chef Johannes Teyssen erklärte hingegen, „Kapazitätsmärkte kommen sowieso“. Wer behält nun Recht?

Die Diskussion wurde in dieser Woche vom SPD-Chef Gabriel und Konzernlenker Teyssen mächtig angetrieben. Immerhin weiß sich Gabriel mit seiner Position in guter Gesellschaft. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist in Bezug auf die Vergütung für die bloße Vorhaltung von Kraftwerkskapazitäten im Gegensatz zum "Energy-Only-Markt", der nur tatsächlich erzeugte Energie bezahlt, skeptisch. Zudem haben zahlreiche Energie-Verbände ihre Positionen erneut dargestellt. Einige Experten fordern von fossilen Kraftwerken mehr Flexibilität statt Kapazität.

Gabriel: Kapazitätsmarkt ist Gegenteil von vernünftiger Energiepolitik

Die Debatte hat auch auf der Handelsblatt-Tagung neuen Schwung bekommen. Dort erklärte Teyssen laut Handelsblatt: „Ich glaube Kapazitätsmärkte kommen sowieso – vielleicht im zweiten Schritt. Ich glaube es wird sich durchsetzen und am Ende auch für die Kunden besser und günstiger sein“. Gabriel sieht das anders. Er sagte in einem Interview mit der gleichen Zeitung zum Thema Kapazitätsmarkt: „Es gibt auf dem deutschen Kraftwerksmarkt ganz erhebliche Überkapazitäten. Nicht wenige, die einen Kapazitätsmarkt fordern, verbergen dahinter ihr eigentliches Interesse: existierende Überkapazitäten auf Kosten der Stromverbraucher zu konservieren. Das ist das Gegenteil von vernünftiger Energiepolitik.“ (zum vollständigen Gabriel-Interview) Klare Worte des Ministers, der auch Regierungschefin Merkel hinter sich weiß. Sie hatte beim Neujahrsempfang des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) die Meinung von BEE-Chef Brickwedde bekräftigt. Brickwedde hatte dort erklärt, warum er Kapazitätsmärkte ablehne: „Sie führen zu jener Kostendynamik, die eigentlich vermieden werden soll.“ Merkel sieht das ähnlich: „Ich teile Ihre Skepsis zu Kapazitätsmärkten.“

Verbände positionieren sich

Weitere Verbände haben im Anschluss an die indirekte Gabriel-Teysse-Konfrontation ihrer Meinung zum Thema Nachdruck verliehen. Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft e.V. erklärte: „Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Staatssekretär Rainer Baake haben sich eindeutig gegen Kapazitätsmarktmodelle ausgesprochen, die lediglich zur Bestandskonservierung in Zeiten der Überkapazitäten führen. Favorisiert wird dagegen eine effiziente und wettbewerbliche Absicherung der Versorgungssicherheit, die sowohl Erzeugung als auch Speicherung und Nachfragesteuerung unverzerrt integriert. Dem ist aus Sicht des bne nichts hinzuzufügen.“

Der Verband kommunaler Unternehmen e.V. sieht das anders. VKU-Vizepräsident Energie Andreas Feicht: „Sich nur auf den Energy-Only-Markt und zufällige Preisspitzen zu verlassen, greift unseres Erachtens zu kurz. Nur der technologieoffene, dezentrale Leistungsmarkt bietet verlässlich Versorgungssicherheit unter marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen und damit zu volkswirtschaftlich geringen Kosten.“

IWR: Flexibilität statt Kapazität

IWR-Direktor Dr. Norbert Allnoch fordert hingegen mehr Flexibilität statt Kapazität im Strommarkt. Die Rufe nach einem solchen Kapazitätsmarkt seien irreführend, denn Deutschland verfüge bereits über genügend Stromerzeugungskapazitäten. Die entscheidende Frage sei, wie schnell und flexibel die Kraftwerke auf die sich ändernden Angebots- und Nachfragesituationen reagieren können. Deshalb fordert Allnoch ein Anreizsystem für einen neu definierten Flexibilitätsmarkt inklusive Speichertechniken und keinen Kapazitätsmarkt.

Quelle: IWR Online
© IWR, 2015