08.06.2016, 08:14 Uhr

Netzausbau verzögert sich – Grüne kritisieren Sabotage der Energiewende

Münster – Der für die Energiewende im Stromsektor von der Politik und den Netzbetreibern als dringend notwendig erklärte Ausbau der Stromnetze verzögert sich. Höhere Strompreise drohen. Die Grünen sehen die Schuld bei der Bundesregierung und werfen ihr eine Sabotage der Energiewende vor.

In einem Bericht der Bundesnetzagentur (BNetzA) wird auf 72 Seiten der Planungsstand zum Ausbau der Stromnetze von insgesamt 47 Einzelvorhaben aufgezeigt. Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, sind die geplanten Zeitpunkte der Inbetriebnahme in zahlreichen und zentralen Einzelvorhaben teilweise deutlich nach hinten verschoben worden.

Stromnetze: Erdkabel brauchen länger

Dem SZ-Bericht zufolge verzögern sich die neuen Stromleitungen teilweise um mehrere Jahre. So soll der 320 Kilometer lange Korridor A, eine Leitung von Emden in Niedersachsen bis nach Osterath in Nordrhein-Westfalen statt 2022 nun erst 2025 fertig werden. Die Leitung von Osterath nach Philippsburg in Baden-Württemberg (340 km) wird nun planmäßig erst 2021 in Betrieb gehen, vorher sei das Jahr 2019 angestrebt worden. Auch die geplanten SuedLink-und SuedOstLink-Trassen vom Norden in den Süden quer durch die Republik werden nun frühestens 2025 fertig. Ein Grund für diese Verzögerungen liegt in dem Widerstand am Netzausbau vor allem aus Bayern und in dem daraufhin getroffenen Kompromiss, hauptsächlich auf Erdkabel umzuschwenken. Dieser Wechsel ist teurer und dauert länger, findet aber in der Bevölkerung eine größere Akzeptanz.

Opposition: Kohle- und Atomstrom verstopfen die Netze

Für die Grünen ist die Sache klar. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion, kritisiert, dass Strom aus konventionellen Kraftwerken die Netze blockiert: „Die Bundesregierung verbummelt seit Jahren den Stromleitungsbau und lässt zugleich zu, dass Kohle- und Atomstrom die Netze verstopfen. Damit sabotiert sie die Energiewende, denn nur ein leistungsfähiges Netz kann den Windstrom vom Norden zu den Verbrauchern im Süden liefern und gleichzeitig Schwankungen ausgleichen.“ Die Bundesregierung provoziere mit ihrer Energiepolitik höhere Strompreise insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg, so Hofreiter.

Drohszenario Strommarkt und höhere Strompreise: Wie viele neue Stromleitungen sind notwendig?

Drohen höhere Strompreise im Süden und niedrigere Strompreise im Norden, wenn die Stromleitungen nicht rechtzeitig gebaut werden? Das ist die Drohkulisse, die derzeit aufgebaut wird. Werden aber auch alle geplanten Stromleitungen wirklich benötigt, wenn immer mehr atomare und fossile Kraftwerke vom Netz gehen? Das ist die entscheidende Frage. Bis zur endgültigen AKW-Abschaltung sollte zeitgleich der Netzausbau weitestgehend fertig sein. Das scheint nicht mehr zu klappen. Druck kommt nun vor allem von den Netzbetreibern, die sich auch als Investoren und Betreiber mehr Stromleitungen wünschen.

Tatsächlich fallen mit dem AKW-Ausstieg bis zum Jahr 2022 unflexible Kernkraftanlagen mit einer Leistung von rd. 11.500 MW weg. Davon entfallen drei AKW mit 4.300 MW auf Norddeutschland, der Rest steht im Süden der Republik. Auch unflexible Braunkohlekraftwerke werden in Zukunft vermehrt abgeschaltet. Allein zwischen Oktober 2016 und Oktober 2019 ist vorgesehen, dass acht Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von 2.700 MW stillgelegt und in die Reserve gehen. Die EU hat dafür Subventionen in Höhe von mindestens 1,6 Mrd. Euro mit der Begründung des „Beitrags zum Klimaschutz“ gebilligt, die die Stromverbraucher über die Netzentgelte bezahlen. Werden weitere Kohle-Kraftwerke über diesen Weg vom Markt genommen, könnten diese Maßnahmen die Stromnetze erheblich entlasten.

Quelle: IWR Online

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