06.12.2016, 14:35 Uhr

Atomausstieg: AKW-Betreiber müssen entschädigt werden

Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem heutigen Urteil den Atomausstieg von 2011 im Grundsatz bestätigt. Den Betreibern der Atomkraftwerke stehe aber eine „angemessene“ Entschädigung in zwei Punkten zu. Von den ursprünglich geforderten 20 Milliarden Euro bleibt dennoch nicht viel übrig.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat die Politik das Restrisiko der Atomenergie neu bewertet und daraufhin den beschleunigten Atomausstieg beschlossen. Acht Atomkraftwerke (AKW) wurden sofort stillgelegt, für die verbleibenden neun wurden genaue Restlaufzeiten festgelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat nun bewertet, ob und für welchen Fall die Kraftwerksbetreiber entschädigt werden müssen.

Beschleunigter Atomausstieg ist grundsätzlich rechtmäßig

Das Bundesverfassungsgericht hat am heutigen Dienstag (06.12.2016) über mehrere Verfassungsbeschwerden gegen den am 31. Juli 2011 beschlossenen beschleunigten Atomausstieg („13. Atomgesetz(AtG)-Novelle“) geurteilt. Grundsätzlich ist die Rücknahme der Ende 2010 (Ausstieg aus dem Atomausstieg) in großem Umfang zugeteilten Zusatzstrommengen, die Einführung fester Endtermine für den Betrieb der einzelnen Kernkraftwerke sowie die Staffelung der Abschaltfristen im Grundsatz mit dem Grundgesetz vereinbar.

Atomkonzerne müssen angemessen entschädigt werden

Den Atomkonzernen steht jedoch eine „angemessene“ Entschädigung zu, da der beschleunigte Atomausstieg aus dem Jahr 2011 in zwei Punkten mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Artikel 14 GG) unvereinbar ist. Mit der Einführung fester Abschalttermine für die deutschen AKW, ist ein konzerninterner Verbrauch von zugewiesen Atom-Reststrommengen nicht mehr sichergestellt. Dies schränkt die Nutzungsmöglichkeiten des Eigentumsrechts unzumutbar ein und ist teilweise auch gleichheitswidrig. Den einzelnen AKW wurden beim ursprünglichen Atomausstieg im Jahr 2002 Reststrommengen zugeteilt, die aber zwischen den Kraftwerken übertragen werden durften.

Zudem müssen die Stromkonzerne für die Streichung zusätzlicher Reststrommengen entschädigt werden. Den Stromkonzernen wurden im Zuge des Ausstiegs aus dem Atomausstieg (11. AtG-Novelle) im Jahr 2010 zusätzliche Reststrommengen gewährt, die mit dem beschleunigten Atomausstieg von 2011 (13. AtG-Novelle) wieder gestrichen wurden. Diese Streichung ist grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar. Den Konzernen muss aber ein Ausgleich für die Investitionen gewährt werden, die sie im Vertrauen auf die zusätzlichen Reststrommengen getätigt haben.

Entschädigung im mittleren dreistelligen Millionenbereich

Mit dem Urteil wurde den Klägern zunächst nur ein grundsätzliches Recht auf Entschädigung und noch keine Entschädigungszahlungen zugesprochen. Die Anwaltskanzlei Becker Büttner Held, die die Länder Rheinland-Pfalz, NRW und Bremen vor dem Verfassungsgericht vertreten hat, erwartet eine Entschädigung in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags. Die Entschädigung wird gewährt für die Reststrommengen der AKW Mülheim-Kärlich und Krümmel, die von RWE und Vattenfall nicht mehr auf andere AKW übertragen werden können sowie für Investitionen zwischen Dezember 2010 und März 2011. Neben einer finanziellen Entschädigung ist auch ein Ausgleich durch längere Laufzeiten einzelner AKW denkbar, wie die Kanzlei betont. Die Atomkonzerne hatten knapp 20 Milliarden Euro für entgangene Gewinne gefordert.

Geklagt hatten die Stromkonzerne RWE, Eon und Vattenfall. Deutschlands vierter großer Stromkonzern EnBW hatte nicht geklagt, da er sich größtenteils im Besitz des Landes Baden-Württemberg befindet. Auch EnBW würde aber von einer Neuregelung profitieren. Das Atomausstiegsgesetz bleibt vorerst weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat nun bis zum 30. Juni 2018 Zeit, eine Neuregelung mit entsprechenden Entschädigungsregelungen zu schaffen.

Aktien haussieren nach Urteil

An der Börse wird das Urteil durchaus positiv bewertet. Die Aktien von Eon und RWE machen im Handel am Dienstag einen Gewinnsprung. Anteilsscheine von RWE klettern bislang um 2,4 Prozent auf 12,01 Euro, Eon haussiert um 3,9 Prozent auf 6,38 Euro (Stand 14:34, Börse Stuttgart). Der aus Schweden stammende Vattenfall-Konzern wird nicht an der Börse gehandelt.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2016