21.08.2020, 14:11 Uhr

Urteil: Windenergie-auf-See-Gesetz zum Teil verfassungswidrig


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Münster, Karlsruhe - Das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) von 2017 ist in Teilen verfassungswidrig. Das ergibt sich nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG). Das Gesetz wurde zwar vom Grundsatz her bestätigt, allerdings muss Projektierern unter bestimmten Voraussetzungen ein finanzieller Ausgleich für entstandene Kosten gewährt werden.

In seinem gestrigen (20.08.2020) Beschluss (Az: 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17) zu mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das WindSeeG hat das BVerfG das Gesetz vom Grundsatz her bestätigt. Demnach ist die Umstellung beim Ausbau der Offshore-Windenergie auf das zentrale System mit dem Grundgesetz vereinbar. Nicht verfassungskonform ist das WindSeeG allerdings insoweit, als das es keinen Ausgleich für Planungs- und Untersuchungskosten vorsieht, die Unternehmen entstehen, deren Projekte durch das Inkrafttreten des Gesetzes beendet wurden. Nun ist die Bundesregierung gefordert.

Finanzieller Ausgleich für bereits durchgeführte Planungen und Untersuchungen ist zu prüfen

Die gegen das WindSeeG klagenden Unternehmen hatten noch nach der bis Ende 2016 geltenden Seeanlagenverordnung die Zulassung von Offshore-Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee beantragt. Auf Grundlage der alten Rechtslage hatten sie dort auf eigene Kosten Planungen und Untersuchungen durchgeführt. Durch das WindSeeG wurde die Anlagenzulassung in der ausschließlichen Wirtschaftszone grundlegend neu geregelt. Ihr gehen jetzt eine staatlich verantwortete Flächenentwicklung und ein zentrales Ausschreibungsverfahren voraus, Anlagenerrichtung und Netzanbindung sind nun aufeinander abgestimmt. Zur Umstellung auf das neue System wurden die laufenden Planfeststellungsverfahren beendet und einer schon erteilten Genehmigung die Wirkung genommen.

Nach Auffassung des BVerfG muss den Beschwerdeführern ein finanzieller Ausgleich für die notwendigen Kosten ihrer Planungen und Untersuchungen gewährt werden, sofern diese für die staatliche Voruntersuchung der Flächen nach §§ 9 ff. WindSeeG weiter verwertet werden können. Die Weiterverwertbarkeit setzt voraus, dass bis zum 31. Dezember 2030 für die betroffenen Flächen ein Zuschlag für die Errichtung eines Offshore-Windparks erfolgt. Die rechtliche Grundlage eines solchen Ausgleichsanspruchs bedarf der näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Hierzu ist die Bundesregierung nunmehr bis spätestens zum 30. Juni 2021 verpflichtet.

WindSeeG wird durch Verfassungsverstoß vom Grundsatz nicht tangiert

Der festgestellte Verfassungsverstoß führt nach Angaben des Verfassungsgerichts allerdings nicht zur Nichtigkeit des Windenergie-auf-See-Gesetzes, sondern lediglich zur Feststellung seiner Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz verbunden mit einer Fortgeltungsanordnung bis zu einer Neuregelung, weil das verfassungsrechtlich zu beanstandende Defizit gemessen an der Gesamtregelung einen Randbereich betrifft. Im Übrigen wurden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

BMWi: BVerfG bestätigt Einführung des zentralen Modells und das WindSeeG

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) begrüßt die grundsätzliche Bestätigung des WindSeeG durch das Urteil des BVerfG. Das Wind-See-Gesetz gelte nach der Entscheidung auch weiter fort und sei nicht nichtig. Das bedeute, dass die ab dem Jahr 2021 geplanten Ausschreibungen im zentralen Modell wie geplant durchgeführt werden. Dies sei für den erfolgreichen weiteren Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland und zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele, ebenso wie zur Sicherung von Wertschöpfung und Beschäftigung in diesem Bereich von zentraler Bedeutung, so das BMWi. Mit Blick auf die Frage der Neuregelung des finanziellen Ausgleichs kündigte das BMWi eine zügige Prüfung einschließlich der Frage an, ob die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für eine Neuregelung bereits in der laufenden Novelle des Wind-See-Gesetzes umgesetzt werden kann.

PNE begrüßt Entscheidung aus Karlsruhe

Der regenerative Projektentwickler PNE begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss den Grundsatz des Vertrauensschutzes gestärkt hat. PNE will die Begründung zu der Entscheidung analysieren und bewerten. Der Gesetzgeber sei jetzt aufgerufen, die Vorgaben des BVerfG bis zum 30. Juni 2021 umzusetzen. PNE werde beobachten, in welcher Weise die Bundesregierung dies vollziehe, teilte das Unternehmen mit.

Quelle: IWR Online

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