03.02.2015, 11:46 Uhr

Bayern: Aigner beendet Energiedialog - und nun?

München - Bayerns Wirtschafts- und Energieministerin Ilse Aigner (CSU) hat den Energiedialog in ihrem Bundesland für beendet erklärt. Doch direkte Entscheidungen für die Zukunft der Strom- und Energieversorgung in Bayern sind damit zunächst nicht verbunden. Was Bayern wirklich will, wird erst auf den zweiten Blick erkennbar.

Mit einer Abschlusssitzung der "Plattform Energie Bayern" und der Vorstellung energiepolitischer Eckpunkte wurde der dreimonatige Energiedialog in Bayern unter Beteiligung von Wirtschaft, Verbänden, Vertretern der Kirchen und Gewerkschaften sowie Bürgerinitiativen und Fachleuten plangemäß beendet. Zum Thema Netzausbau erklärte Aigner, dass zwei neue Trassen für Bayerns Versorgung nicht gebraucht werden. Das könnte Bayern aber teuer zu stehen kommen.

Stromlücke in Bayern wird auf 40 Mrd. kWh beziffert

Aigner bewertet den Energieidalog als Erfolg. Der Erkenntnisgewinn sei enorm und man habe heute ein klareres Bild von Bayerns Energiezukunft als zuvor, so die Ministerin. Nach der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke wird Bayern eine Lücke bei der Stromproduktion und bei der gesicherten Leistung haben. Im Rahmen des Energiedialogs sei diese bei der gesicherten Leistung auf 5.000 Megawatt (MW) und bei der Stromproduktion auf 40 Milliarden Kilowattstunden (kWh) beziffert worden.

Aigner fordert Gaskraftwerke - bayerische Insellösung?

Für die Versorgungssicherheit in Bayern sei konventionelle Stromproduktion unverzichtbar, erklärte Aigner und meint damit die Stromerzeugung in Gaskraftwerken. Allerdings lohnen sich solche Gaskraftwerke derzeit wirtschaftlich nicht. Darüber hinaus sieht die Ministerin erhebliches Potential in der Kraftwärmekopplung.

Hnsichtlich des Netzausbaus erklärte Aigner, dass es rein technisch möglich sei, die Versorgung Bayerns ohne die umstrittenen Trassen Südlink und Südostpassage sicherzustellen. Die Voraussetzungen dafür müssten aber auf Bundesebene geschaffen werden. Aigner: "Die Frage, in welchem Maße Netzausbau notwendig ist, hängt davon ab, ob die Marktbedingungen für den wirtschaftlichen Betrieb und den Bau von Gaskraftwerken in Bayern angepasst werden." Im Klartext: es braucht laut Aigner subventionierte Gaskraftwerke. Das sei eine Aufgabe für die Verhandlungen auf Bundesebene.

BEE: Unterteilung in zwei Marktzonen könnte teuer werden

"Zwei neue Trassen", so die Ministerin, "werden für Bayerns Versorgung nicht gebraucht." Grundsätzlich unterstrich Aigner, dass Leitungen nur dann gebaut werden, wenn sie für die Versorgung notwendig seien und nicht etwa für den Export von Überschussstrom. Aigner sprach dabei auch von der ominösen Formel "zwei Trassen minus X". Das könnte bedeuten, dass Bayern eine oder eben auch gar keine Trasse für notwendig hält.

Der BEE erklärte hierzu: "Der bayerische Energiedialog ist ohne ein konkretes Ergebnis zu Ende gegangen und lässt den Streit um neue Stromtrassen völlig offen. Politisch verschuldete Netzengpässe könnten Bürger und Unternehmen mittelfristig teuer zu stehen kommen. Es ist nicht zu erwarten, dass die EU politisch verschuldete Netzengpässe in einem einheitlichen Marktgebiet dulden wird. Als Folge würde das einheitliche Marktgebiet in zwei Marktzonen getrennt werden, siehe das Beispiel Schweden. Wenn Physik und Ökonomie auseinanderlaufen, wird sich die Ökonomie der Physik anpassen müssen, unabhängig von politischen Willensbekundungen."

Aigner bezeichnet Windkraft-Ausbau als "unkontrolliert"

Für den Ausbau der erneuerbaren Energien fordert Aigner einen Prioritätenwechsel. Der Ausbau der Erneuerbaren sei in Bayern besonders erfolgreich verlaufen, findet die Ministerin. An den Ausbauzielen von 2011 halte man fest, aber: "Wir sehen jedoch heute, dass der Beitrag der Erneuerbaren zur Versorgungssicherheit beim gegenwärtigen Stand der Technik nur in eng begrenztem Umfang gesteigert werden kann. Bei einem weiter unkontrollierten Zubau gerade von Windkraft drohen uns nicht nur die Kosten der Energiewende aus dem Ruder zu laufen. Die künftigen Belastungen für das Netz wären enorm und würden einen immer größeren Bedarf nach zusätzlichen Leitungen auslösen. Damit muss Schluss sein!"

Die ersten Schritte, die mit dem EEG 2014 gemacht wurden, gingen in die richtige Richtung, seien aber "viel zu zaghaft". Das Umsteuern beim Ausbau der Erneuerbaren müsse viel entschlossener und mutiger erfolgen. Es müsse gelten: Qualität vor Quantität. "Die Erneuerbaren müssen dem Gesamtsystem dienen, ihre Produktion muss sich mehr am Bedarf orientieren", erklärte Aigner. Ein Schwerpunkt müsse deshalb in Zukunft auf den Möglichkeiten zur Systemintegration liegen: "Es funktioniert nicht", so die Ministerin, "wenn wir die Spitzen immer weiter erhöhen, ohne die Täler zu füllen."

Aigner plädiert für eine Speicheroffensive - Seehofer übernimmt

Ergänzt werden müsse dieser Prioritätenwechsel durch eine sofortige Speicheroffensive. Aigner: "„Es wird entscheidend für den Erfolg der Energiewende sein, ob es gelingt, die Produktionsüberschüsse der erneuerbaren Energien wirtschaftlich und über längere Zeiträume zu speichern." Aigner will die detaillierten Eckpunkte jetzt dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer vorstellen. Damit ist ihr Part bei der "Energiewende in Bayern" offenbar beendet. Denn im Anschluss soll Seehofer darüber mit den Parteivorsitzenden von CDU und SPD, Kanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, verhandeln.

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