Der seltsame Ölpreis-Verfall und die Folgen
Münster - Seit Mitte des Jahres 2014 fallen die Rohölpreise und erreichen mittlerweile wieder den Stand von 2009. Über die Hintergründe wird heftig spekuliert, vor allem nach dem Treffen der Opec-Länder in Wien.
In den letzten Jahren war es an der Ölpreisfront relativ ruhig. Die Preise für die Nordsee-Ölsorte Brent pendelten zwischen 100 und 130 US-Dollar je Barrel, die Rohpölpreise für die amerikanische Sorte WTI (West Texas Intermediate) fast regelmäßig niedriger. Die Frage, ob wirtschaftliche oder politische Gründe für den aktuellen Ölpreisverfall seit Mitte 2014 verantwortlich sind, erhitzt die Gemüter.
Der Ölpreis: Spielball von Wirtschaft und Politik
Der Preis für Rohöl am Weltmarkt unterliegt nicht allein den freien Marktkräften. Würde es einen freien Weltmarkt für Öl geben, dürfte es beispielsweise keine Preisdifferenz von zwischenzeitlich bis zu 20 Dollar je Barrel zwischen der amerikanischen Ölsorte WTI und der Nordsee-Sorte Brent geben. Arbitrage-Geschäfte würden normalerweise dafür sorgen, dass nur sehr geringe Unterschiede auftreten. Der Grund für die Preisdifferenz liegt darin, dass es ein politisch motiviertes, generelles US-Exportverbot für US-Rohöl seit den siebziger Jahren gibt.
Für einige ölexportierenden Länder wie Russland oder Venezuela sind wiederum die Einnahmen aus dem Verkauf des Rohöls fest im Landeshaushalt eingeplant. Diese Länder rechnen für ihre Staatshaushalte rückwärts, d.h. wie hoch muss der Rohöl-Verkaufspreis sein, damit ein vorher fest eingeplanter Finanzbeitrag erzielt werden kann. Daraus ergibt sich der angestrebte Ölpreis. Mit einem Ölpreis von um die 100 Dollar je Barrel konnten offenbar alle Seiten gut leben.
Wirtschaft: Niedrige Ölpreise und die Folgen
Verschiedene Einflüsse haben dazu geführt, dass sich die Angebotssituation für Öl verändert hat. In einigen Ländern wie Lybien oder dem Irak ist die Öl-Angebotssituation sehr instabil bzw. schwankend und damit kaum planbar. Das Fracking in den USA führt zu einem deutlich höheren Ölangebot und damit zu geringeren Ölimporten. Saudi Arabien und die Opec können durch einen niedrigen Ölpreis dafür sorgen, dass Fracking-Öl zunehmend unwirtschaftlich wird. Für diese Variante spricht das Ergebnis des Opec-Treffens, denn Maßnahmen zur Öldrosselung scheiterten am Widerstand von Saudi Arabien. Das nächste Opec-Treffen wurde zudem erst Mitte 2015 wieder anberaumt.
Die niedrigen Ölpreise haben negative Folgen für die Erschließung von Ölfeldern in der Tiefsee, die ebenfalls - zumindest derzeit - immer unrentabler wird. Auch die aufwendige und kostspielige Ausbeutung der Ölsande in Kanada gerät zunehmend unter wirtschaftlichen Druck und wird unrentabel. Kurzfristige Nutznießer der niedrigen Ölpreise sind vor allem die Verbraucher und die Wirtschaft in Europa.
Die politische Ölpreis-Karte
Neben den wirtschaftlichen Gründen wird immer wieder ein politisch motivierter Öl-Preisverfall vorgetragen, beispielsweise um mit einer solchen Aktion Russland wegen der Ukraine-Krise unter Druck zu setzen. Möglicherweise hat der Ölpreis-Verfall aber auch einen weiteren politisch gewünschten Effekt, der vor allem mit der angespannten Situation im Nahen Osten zusammenhängt. Fallen die Ölpreise, sinken die Einnahmen von Syrien, des Irans oder die des IS aus den Ölverkäufen. Gerade der Ölverkauf durch den Islamischen Staat aus den besetzten Ölfeldern spült monatlich Millionen in die Kriegskasse.
Quelle: IWR Online
© IWR, 2014