30.01.2013, 15:09 Uhr

Strom: Netzausbau bedeutet nicht zwangsläufig neue Trassen

Berlin – Im Dezember 2012 hatte das Bundeskabinett das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) verabschiedet. Der Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) übernimmt sämtliche Vorhaben, die die Bundesnetzagentur Ende November 2012 im ersten nationalen Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber bestätigt hatte, in den Bundesbedarfsplan. Nach dem Netzentwicklungsplan besteht ein Bedarf von rund 2.800 Kilometern (km) für komplette Neubautrassen und von rund 2.900 km für Optimierungs- und Verstärkungsmaßnahmen an bestehenden Trassen. Wie das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) nun klargestellt hat, handelt es sich aber auch bei den 2.800 km nicht zwangsläufig um komplett neue Trassen. Es handelt sich quasi um einen potentiellen Bruttowert. Zwar ist dafür zunächst ein Trassenneubau eingeplant, doch um in der Planungs- und Genehmigungsphase mehr Flexibilität zu haben, wird im Gesetz selbst nur von einem Leitungsbedarf gesprochen. Ob also am Ende tatsächlich 2.800 km neue Trassen gebaut werden müssen, steht noch nicht endgültig fest und ist eher unwahrscheinlich. Im weiteren Verfahren können benötigte Leitungsvorhaben auch in bestehenden Trassen umgesetzt werden, so dass ein Neubau gegebenenfalls entfallen könnte, erklärte das BMWi.

Neue Stromleitungen: Erdkabel statt Freileitungen

Der Bedarfsplan enthält insgesamt 36 Vorhaben, darunter auch Pilotprojekte für eine verlustarme Übertragung hoher Leistungen über große Entfernungen (Gleichstromübertragungsleitungen) mit Korridoren, auf denen insbesondere der in Windenergieanlagen erzeugte Strom von Norden nach Süden transportiert werden kann. Zwei dieser Vorhaben können, wenn technisch und wirtschaftlich effizient, teilweise auch als Erdkabel errichtet werden. Auch Projekte für den Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen sind im Bedarfsplan vorgesehen. Bevor über einen großflächigen Einsatz entschieden wird, sollen diese Pilotprojekte Erkenntnisse zur wirtschaftlichen und technischen Einsetzbarkeit sowie zu den Umweltauswirkungen dieser neuen Technologien bringen. Der Bundesbedarfsplan enthält 21 länderübergreifende oder grenzüberschreitende Leitungen. Damit diese einheitlich und schnell realisiert werden können, soll künftig die Bundesnetzagentur für die entsprechenden Planfeststellungsverfahren zuständig sein. Das Bundeswirtschaftsministerium wird hierzu in Kürze den Entwurf einer Rechtsverordnung vorlegen, die der Zustimmung der Länder bedarf. Die Länder hätten hierzu ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, so das BMWi.

Experten kritisieren überdimensionierten Netzausbau

In den Augen einiger Experten ist das geplante Ausmaß des Netzausbaus überzogen. So fordert der Bundesbedarfsplan nach Ansicht von Professor Lorenz Jarass, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden, einen weit überdimensionierten Netzumbau. Nach seiner Einschätzung habe man sich beim Netzausbau vorgenommen, jede erzeugte Kilowattstunde gesichert ins Netz einspeisen zu können. Es sei aber unsinnig, einmalige Windspitzen in Norddeutschland nach Süddeutschland übertragen zu wollen, so Jarass. Die daraus resultierenden, volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigten Kosten müssten vom deutschen Stromverbraucher getragen werden.


© IWR, 2013