12.09.2013, 09:58 Uhr

Trotz BGH-Urteil: Versorger ignorieren Rückzahlungs-Forderungen von Gas-Sonderkunden einfach

Münster – Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eigentlich klar: Die Richter haben entschieden, dass die Preiserhöhungen in Gas-Sonderverträgen in vielen Fällen unzulässig sind. Das Problem: Viele Versorger interessiert das nicht – und verweigern den Verbrauchern einfach die Rückzahlungen.

Der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz ist bisher kein einziger Gasversorger bekannt, der überzahlte Gaspreise zurückerstattet hat. "Ganz im Gegenteil", moniert Fabian Fehrenbach, Fachberater für Energierecht bei den Verbraucherschützern "Viele Versorger teilen den Kunden lapidar mit, dass das entsprechende BGH-Urteil nicht für sie gelte und man sich in der Vergangenheit immer nach der Rechtsprechung gerichtet habe."

Ablehnung kaum haltbar

Nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale ist dies bei weitem nicht so. Viele Preiserhöhungen haben in der Vergangenheit auf Grundlage unwirksamer Geschäftsbedingungen stattgefunden, so auch das Ergebnis der Stiftung Warentest in einer Untersuchung im August dieses Jahres. Von 30 geprüften Klauseln waren 23 unwirksam und sieben zweifelhaft. Nicht eine wurde als eindeutig wirksam beurteilt.

"Juristisch ist es kaum haltbar, dass die Versorger Rückzahlungsforderungen ablehnen", erklärte Fehrenbach in einer Mitteilung der Verbraucherzentrale, der vertraglich vereinbarte Preisänderungsklauseln aus dem betroffenen Zeitraum vorliegen. Diese genügen nach Rechtsauffassung der Verbraucherschützer nicht den vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) und BGH aufgestellten Anforderungen an eine zulässige Preisänderungsklausel. Danach müssen Anlass, Voraussetzung und Umfang der Preiserhöhung

erkennbar sein (BGH VIII ZR 162/09 vom 31.07.2013, Rdnr. 38). Die verwendeten Klauseln wären demnach eindeutig unzulässig.

Urteil mit Präzedenzcharakter

Der BGH hatte in seinem Urteil von Ende Juli die Preiserhöhungsklauseln des Versorgers RWE für ungültig erklärt. Das Urteil beschränkt gelte "nicht nur für die Kläger des Verfahrens, sondern für alle Sonderkunden, die solche Klauseln in ihren Verträgen hatten", sagte BGH-Sprecherin Dietlind Weinland dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Freitag. Sonderkunden sind rund 70 Prozent der fast 13,5 Millionen deutschen Gasnutzer, in deren Verträgen abweichend von der gesetzlich geregelten Grundversorgung (sogenannte Tarifkunden) besondere Konditionen und Preise für den Gasbezug vereinbart sind.

In mehreren Punkten hat das Gericht gegen die Versorgungsunternehmen entschieden. So können sich laut der nun vorliegenden ausführlichen Urteilsbegründung auch Kunden gegen ungerechtfertigte Preiserhöhungen zur Wehr setzen, die bisher keinen Widerspruch gegen ihre Rechnungen eingelegt haben. "In der vorbehaltlosen Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden" könne "keine stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis gesehen werden" (AZ: VIII ZR 162/09). Auch greife der Vertrauensschutz nicht, auf den das Unternehmen sich berufen habe - das Risiko von im Nachhinein für unwirksam erklärter Klauseln trage das Unternehmen, das die Klauseln verwende.

Für die Verbraucher bleibt als Ultima Ratio nur der Gang vor den Kadi. "Wer von seinem Versorger ein ablehnendes Schreiben hinsichtlich seiner Rückzahlungsaufforderung erhalten hat, sollte eine Klage in Betracht ziehen", rät Fehrenbach. Allerdings gilt es vorher zu klären, ob eine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist, die – je nach Lage des Verfahrens – eine Deckungszusage für ein außergerichtliches oder gerichtliches Verfahren abgibt, um möglichen Prozesskostenrisiken vorzubeugen.


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