01.12.2016, 08:12 Uhr

Versorger drohen millionenfach mit Stromsperren

Berlin – Unter bestimmten Bedingungen dürfen Stromanbieter säumigen Kunden die Stromabschaltung nur androhen, dann aber gegebenenfalls auch tatsächlich bewirken. Solche Stromsperren sind in Deutschland keine Seltenheit, die Ursachen sind vielfältig. Das Wirtschaftsministerium sieht Handlungsbedarf.

Ein Stromversorger darf eine Stromsperre zunächst nur androhen, wenn Zahlungsrückstände von mindestens 100 Euro vorliegen. Erst nach weiteren vier Wochen kann die Sperre auch umgesetzt werden, sofern diese mindestens drei Tage vorher schriftlich angekündigt wurde. Die Zahl der Androhungen liegt für das Jahr 2014 bei weit über sechs Millionen, in etwa jedem 18. Fall kommt es tatsächlich auch zur Strom-Abschaltung.

Anstieg der Stromsperren vorerst gestoppt?

Die Studie mit dem Titel "Analyse der Unterbrechungen der Stromversorgung nach 19 Abs. 2 StromGVV" ist vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) durchgeführt worden. Vor allem die Ursachen für Stromsperren und die Wirksamkeit des gegenwärtigen Instrumentariums wurden analysiert. Im Jahr 2014 ist deutschlandweit in 351.802 Fällen (2013: 344.798) eine Stromsperre umgesetzt worden, ist der Studie zu entnehmen. Angedroht wurde eine Stromsperre in rund 6,3 Millionen Fällen (2013: rd. 7 Mio.). Im Jahr 2011 wurde lediglich in 312.059 Fällen eine Stromsperre durchgezogen. Wie die Bild-Zeitung zuletzt berichtete, ist die Zahl in 2015 allerdings wieder gesunken. Demnach setzten die Stromversorger im Jahr 2015 in insgesamt 331.272 Fällen eine Stromsperre durch. In rund sechs Prozent sind Haushalte von derartigen Stromsperren mehrmals pro Jahr betroffen.

Studie mahnt bessere Koordinierung bestehender Beratungsmöglichkeiten an

In der Studie kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Ursachen und Auftreten von Stromsperren nicht allein eine Frage des Einkommens sind. Häufig kämen vielmehr verschiedene Ursachen zusammen, wie zum Beispiel plötzliche und einschneidende Veränderungen im persönlichen Lebensumfeld. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass das Energie- und Sozialrecht bereits heute einen guten Rahmen bietet, um soziale Härten bei Stromsperren zu vermeiden. Die Ursachen lassen sich häufig nicht allein durch einen Einkommenstransfer angehen, sondern können eher durch enge Zusammenarbeit und bessere Koordinierung der bestehenden Beratungsmöglichkeiten oder freiwilligen Initiativen der Sozialträger und -verbände und Versorger erfolgen.

Baake plädiert für Dialogprozess mit Versorgern, Verbraucherverbänden und Sozialträgern

Staatssekretär Rainer Baake (Grüne) erklärt zur Stromsperren-Studie: "Wir haben uns im Bundeswirtschaftsministerium mit der Studie das Problem der Stromsperren genau angeschaut. Die Zahl der Stromsperren ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Aber: Stromsperren bedeuten für die Betroffenen einen gravierenden Eingriff. Heute gibt es bereits viele Maßnahmen und Beratungsprogramme, allerdings sind sie nicht ausreichend koordiniert. Oft wissen die Betroffenen schlichtweg nicht, welche Möglichkeiten sie haben. Wir setzen uns daher für einen Dialogprozess mit Versorgern, Verbraucherverbänden und Sozialträgern ein, um besser zu verhindern, dass es überhaupt zu einer Stromsperre kommt."

Daher will das BMWi nun im ersten Schritt einen Dialogprozess mit Versorgern, Verbraucherverbänden und Sozialträgern starten, um die zahlreichen bestehenden Initiativen und Programme besser zu koordinieren und die Informationen für die Betroffenen besser zugänglich zu machen.

Quelle: IWR Online

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