12.04.2012, 12:36 Uhr

Wie die Ratingagenturen den Atomausstieg beschleunigen

Münster – Nicht die Politik oder die Technik, sondern die Ratingagenturen könnten der treibende Faktor für den Atomausstieg sein. Nach einem Bericht des Handelsblatts hätten die Ratingagenturen den deutschen Stromkonzernen zu verstehen gegeben, "dass im Falle weiterer nuklearer Risiken eine Abstufung der Kreditwürdigkeit droht". Der Ausstieg von RWE und E.ON aus den Atomkraftprojekten in Großbritannien wäre damit in erster Linie den möglichen Finanzrisiken geschuldet und nicht der ökologischen Vernunft, so das Handelsblatt. Offensichtlich haben die Ratingagenturen (Moody’s, S&P Standard & Poor"s, Fitch, etc.) die Risiken der Atomenergie nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima neu bewertet und den Realitäten angepasst. In Zukunft dürften weltweit vor allem Stromversorger mit Atomkraftwerken im Portfolio zunehmend ins Visier der Ratingagenturen geraten. Der Betrieb von Atomkraftwerken wird für die Bonität eines Stromversorgers mit dem zunehmenden Alter von Atomkraftwerken voraussichtlich mehr und mehr zum Belastungsfaktor.

Atomkraftwerke: Die Verniedlichung des Restrisikos

Bisher konnten die Stromversorger darauf verweisen, dass es nur ein "kleines", hypothetisches Restrisiko beim Betrieb von Kernkraftanlagen gibt. Unterstützung erhielten sie vom Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 1978. Das hatte mit seinem wegweisenden Kalkar-Beschluss entschieden, dass die Bevölkerung im Zusammenhang mit der Nutzung der Kernenergie ein "Restrisiko" zu tragen habe, auch weil es "hypothetische Risiken sind, die nach dem Stand der Wissenschaft unbekannt, aber nicht auszuschließen" sind. Der Begriff "Restrisiko" ist eine Verniedlichung und wirkt harmlos. Mathematisch gesehen gibt es aber kein "Restrisiko", sondern nur ein Risiko, das entweder hoch oder niedrig ist. Die Risikozahl sagt auch nichts über den Zeitpunkt des Eintritts eines Ereignisses aus.

Wenn das unwahrscheinliche Restrisiko real wird

Wird das Risiko eines GAU’s mit einer Million Jahre angegeben, dann ist die Eintrittswahrscheinlichkeit zwar klein, aber vorhanden. Zudem machen die meisten Menschen den Fehler, den Zeitpunkt für den Eintritt eines GAU’s einfach an das Ende des Betrachtungszeitraums zu legen (d.h. … in 1 Million Jahren). Genauso gut kann nach dem Wahrscheinlichkeits-Modell ein GAU auch schon am Anfang passieren. Wenn in den letzten 60 Jahren seit dem Beginn der Nutzung der Kernenergie bereits zwei Super-Gau’s zu verzeichnen sind, dann ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung weiterhin richtig, nur hat die verniedlichende Interpretation und Verharmlosung der Fakten den Menschen eine Sicherheit vorgegaugelt, die so nicht vorhanden war und in Zukunft auch nicht sein wird.


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