Kartell-Untersuchung bestätigt Oligopol im Kraftstoffsektor
Bonn - Das Bundeskartellamt hat seinen „Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe“ veröffentlicht. Dieser beinhaltet eine Analyse der Wettbewerbsverhältnisse auf den Tankstellenmärkten in Deutschland vor. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt: „Die fünf großen Tankstellenbetreiber in Deutschland machen sich gegenseitig keinen wesentlichen Wettbewerb, sie bilden ein marktbeherrschendes Oligopol. Unsere Studie weist im Einzelnen nach, wie die Mechanismen der Preissetzung funktionieren. Es bedarf bei solchen Marktstrukturen nicht zwingend einer Absprache. Die Unternehmen verstehen sich ohne Worte. Das führt zu überhöhten Preisen.“ Das Bundeskartellamt geht von der Existenz eines marktbeherrschenden Oligopols der fünf großen Mineralölunternehmen, BP (Aral), ConocoPhilipps (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total auf den Tankstellen-Märkten in Deutschland aus. Andreas Mundt: „Dieser Marktbeherrschungs-Befund ist von grundlegender Bedeutung für die kartellbehördliche Arbeit im Kraftstoffsektor. Aufgrund unserer Erkenntnisse werden wir eine weitere Konzentration der Tankstellenmärkte verhindern und darauf achten, dass die Oligopolisten ihre Marktmacht nicht missbräuchlich ausnutzen.“ Bundesweit entfallen nach Angaben der Behörde rund 65% des Kraftstoffabsatzes auf die großen Fünf.
Des Weiteren seien die Kraftstoffmärkte sehr transparent, da die Preise für alle Marktteilnehmer leicht zu beobachten seien. Alle fünf Unternehmen verfügen demnach über ein System der Preisbeobachtung und -meldung, das zeitnahe Reaktionen auf Veränderungen möglich mache. Das Bundeskartellamt weist darauf hin, dass ein Ausbrechen aus dem Oligopol durch die vielfachen Verflechtungen der Mineralölkonzerne sowie wechselseitige Abhängigkeiten in Kraftstoff-Tauschverträgen erschwert werde. Abweichendes Verhalten könnte umgehend von den anderen Oligopolisten wirtschaftlich sanktioniert werden. Die oligopolistische Marktstruktur versetzt die großen Mineralölkonzerne nach Ansicht des Bundeskartellamts in die Lage, Preise an der Tankstelle nahezu einheitlich zu bewegen. Mit Hilfe der systematischen Beobachtung und der zentral gesteuerten Preissetzung hätten sich präzise Preissetzungsmuster etabliert. In nahezu allen Fällen würden Aral oder Shell als Initiatoren der zumeist flächendeckenden Preiserhöhungsrunden hervortreten, das jeweils andere Unternehmen seinen Preis nach exakt drei Stunden anpassen und die übrigen Oligopolisten ebenfalls in festen Zeitkorridoren nachfolgen.
Die Auswertung lasse zudem erkennen, dass es zwar insgesamt mehr einzelne Preissenkungen als Preiserhöhungen gebe, die Senkungen aber örtlich begrenzt bleiben und im Durchschnitt in deutlich kleineren Cent-Schritten vollzogen werden als die Erhöhungen. In der Regel sind die Benzinpreise an Freitagen am höchsten und an Montagen am niedrigsten. Die Untersuchung bestätige auch die Vermutung, dass das Preisniveau zu Ferienbeginn steigt, was sich nicht allein durch eine besonders erhöhte Nachfrage erklären lasse. Das Bundeskartellamt will an der bisherigen Untersagungslinie in der Fusionskontrolle festhalten, um eine weitere Konzentration der Märkte zu verhindern. Darüber hinaus will die Behörde einige Verfahren einleiten, um konkret nachweisbare Rechtsverstöße aufzugreifen. Im Hinblick auf die oligopolistischen Preismechanismen solle der Gesetzgeber prüfen, ob Verbesserungen im Sinne der Verbraucher durch regulative Eingriffe erzielt werden können.
© IWR, 2011