18.11.2014, 12:22 Uhr

Wie sich der Atommüll in Deutschland auf einmal verdoppelt

Berlin – Laut Bundesregierung lagert und entsteht in Deutschland etwa doppelt so viel Atommüll wie bislang angenommen. Hinzu kommt, dass deutlich mehr Atommüll-Behälter beschädigt sind als bekannt war.

Laut der im „Verzeichnis radioaktiver Abfälle“ enthaltenen Prognose, welche im letzten Monat veröffentlicht wurde, sollten bis zum Jahr 2080 etwa 300.000 Kubikmeter radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung im Schacht Konrad, dem Endlager für diese Art des Atommülls, eingelagert werden. Für diese Menge ist das derzeit entstehende Endlager in Salzgitter auch konzipiert. Laut des nationalen Entsorgungsplans soll diese Menge sich aber nun verdoppeln. Zudem hat eine Befragung des NDR-Politmagazins Panorama 3 ergeben, dass weit mehr Atommüll-Behälter beschädigt sind, als angenommen. Die Rede ist von mehr als 2.000 entdeckten Fällen.

Wertstoff wird zu Atommüll

In Deutschland lagert und entsteht mehr Atommüll als gedacht. Der Bund geht offenbar nun "von einer Gesamtmenge der zu entsorgenden Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung von rund 600.000 Kubikmetern" aus, heißt es in einem Entwurf des nationalen Entsorgungsplans, der der Süddeutschen Zeitung (SZ) vorliegt. Darin seien zum ersten Mal auch die sogenannten Urantails aus der Urananreicherungsanlage Gronau aufgelistet, die sonst als Wertstoffe durchgegangen sind. Diese belaufen sich auf insgesamt 13.000 Tonnen, die der Betreiber Urenco momentan in Gronau einlagert. Im “Verzeichnis radioaktiver Abfälle“ waren diese Urantails nicht aufgelistet.

Die zusätzlichen 300.000 Kubikmeter sollen laut des Entsorgungsplans aus der Urananreicherung und dem maroden Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel stammen. Allein die in Wolfenbüttel befindlichen 126.000 Fässer Atommüll beinhalten etwa 200.000 Kubikmeter. Aus Gründen der Vorsorge habe man nun schonungslos abgerechnet, heißt es laut SZ Online aus dem Bundesumweltministerium. Wohin der zusätzliche Atommüll in Zukunft gehen soll ist jedoch noch ungewiss.

Zweites Endlager wird gebraucht

Ziel für die Einlagerung seien zwei Endlager. Eines für radioaktiven Müll mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, das Endlager Konrad, sowie ein zweites Endlager für den „heißen“, in Castoren gelagerten Atommüll. Mit der Suche nach Endlagerstandorten befasst sich momentan die Bundesregierung. Dies ist jedoch ein langwieriger Prozess. Vor dem Jahr 2031 kann nicht mit einer Entscheidung gerechnet werden. Bis dahin sind die Betreiber von Anreicherungsanlagen oder Atomkraftwerken dazu verpflichtet, den Atommüll sicher an ihren Standorten zu lagern.

Beschädigte Atommüll-Behälter: Wie groß ist der Eisberg?

Auch um die Sicherheit der bestehenden Atommüll-Behältern steht es nicht zum besten. Laut den Antworten gegenüber dem NDR-Magazin Panorama 3 aus den 16 Bundesländern fanden sich bundesweit an mindestens 17 Standorten leicht oder schwer beschädigte Fässer, u. a. in der niedersächsischen Landessammelstelle in Leese, in der hessischen Landessammelstelle in Ebsdorfergrund und am Kernkraftwerk Biblis. Besonders problematisch ist die Situation im größten oberirdischen Zwischenlager in Karlsruhe. Hier fanden Prüfer bei Kontrollen mehr als 1.700 beschädigte Behälter mit radioaktivem Müll.

Vor kurzem waren erst im Kernkraftwerk Brunsbüttel beschädigte Fässer mit Atommüll aufgetaucht. Dies sei nur die Spitze des Eisberges sagte Michael Sailer, Atomexperte des Öko-Instituts gegenüber dem NDR. Wie groß der Eisberg wirklich sei, wisse man noch nicht.

Grüne einerseits zufrieden, anderseits empört

Die Grünen begrüßen den Entwurf des nationalen Entsorgungsplans. Die ehrliche Einbeziehung der Urenco-Abfälle sei „sehr positiv“, sagte die Grünen-Politikerin und Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl. Zu den beschädigten Atommüll-Behältern sagte Kotting-Uhl: "Die Bundesregierung hat offensichtlich die Probleme so lange ignoriert, bis das erste Fass in Brunsbüttel auftauchte. Dann musste sie sich zwangsläufig damit befassen, dass die Zustände wohl nicht in Ordnung sind. Aber sie versucht es nach wie vor, so weit wie möglich von sich fern zu halten."

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