03.03.2015, 11:26 Uhr

Strom: Wie groß ist die Blackout-Gefahr durch die Sonnenfinsternis?

Stuttgart - Am 20. März 2015 wird sich der Mond vor die Sonne schieben und sie in Deutschland um bis zu 80 Prozent verdecken. Diese partielle Sonnenfinsternis bewirkt auch einen deutlichen Einbruch der Solarstromleistung hierzulande sowie in den europäischen Nachbarstaaten. Mehrere Tausend Megawatt Stromleistung fallen so in kürzester Zeit zunächst aus und kommen dann ebenso schnell wieder zurück. Die Netzbetreiber sprechen von einer "großen Herausforderung".

Bei sonnigem Wetter sinkt die Leistung der rund 1,4 Millionen Photovoltaik(PV)-Anlagen von 17.500 Megawatt (MW) auf nur noch 6.200 MW gegen 10:45 Uhr. Danach steigt die Leistung bis 12 Uhr wieder auf knapp 25.000 MW an, haben Forscher der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin berechnet. Bei bewölktem Himmel wird der Einfluss der Sonnenfinsternis auf die PV-Einspeisung dagegen vergleichsweise gering sein.

Netzbetreiber bereiten sich seit Monaten auf "Sofi" vor

Eine Herausforderung für die Stromnetze ist allerdings besonders der kurze Zeitraum, in dem die Solarstromleistung sinkt und wieder ansteigt. Wie die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber erklären, koordinieren sie bereits seit mehreren Monaten in Arbeitsgruppen auch auf europäischer Ebene und in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur die notwendigen Maßnahmen. Sie haben eigens hierfür Studien von wissenschaftlichen Instituten erstellen lassen. So planen sie, mehr Regelenergie (Minutenreserveleistung, Sekundärregelleistung) für die Zeit der Sonnenfinsternis zu beschaffen und haben dazu vorbereitende Gespräche mit Regelenergieanbietern geführt. Außerdem wurden die Mitarbeiter in den Netzleitstellen und Schaltwarten für diese besondere Situation geschult. Die Besetzung der Warten wird darüber hinaus während der Sonnenfinsternis oder kurz Sofi verstärkt.

Keine Angst von Netzblackout

Angst vor einem Netzblackout müssen die Deutschen jedoch nicht haben, sagt Carsten Tschamber vom Solar Cluster Baden-Württemberg. Die Auswirkungen der Sonnenfinsternis seien den Netzbetreibern bis in die Einzelheiten bekannt, es gebe genug Ersatzleistung sowie Regelungsstrategien.

"Zur Stabilisierung der Netze stehen unter anderen Pumpspeicher mit einer Leistung von rund 7 Gigawatt bereit", sagt Tschamber. "Da insgesamt bis zu 11 Gigawatt Ersatz für die kurze Zeit nötig ist, braucht es aber auch flexible Gaskraftwerke." Das Lastmanagement bei besonders großen Stromverbrauchern deckt ebenfalls einen Teil des Ausfalls. So könnte etwa die chemische und metallverarbeitende Industrie ihre Produktion für eine oder zwei Stunden drosseln. Neue Entwicklungen könnten künftig die Sorgen bei Sonnenfinsternissen weiter reduzieren: Der zunehmende Eigenverbrauch des Photovoltaikstroms wird aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren zu einer stärkeren Verbreitung von Batteriespeichern führen. Die Speicher stellen bei einer Sonnenfinsternis eine weitere Kapazitätsreserve beim kurzzeitigen Sinken der Solarstromeinspeisung dar, so die Experten vom Solar Cluster Baden-Württemberg.

Herausforderungen durch die Sonnenfinsternis sind beherrschbar

Auch der starke Anstieg der PV-Leistung nach der Sonnenfinsternis sei kein Problem, so Tschamber. Die Stromnetzbetreiber in Deutschland seien darauf vorbereitet, die Ersatzleistung wieder zeitlich präzise herunterzufahren. In der deutschen Energiebranche, bei den Netzbetreibern und bei der Bundesnetzagentur sehe man es ähnlich und spricht von mittleren Herausforderungen, die „beherrschbar“ seien.

Ausbau fluktuierender EE-Stromquellen kein unlösbares Problem

Diese Einschätzungen sind aus Sicht des Solar Cluster Baden-Württemberg auch aus einem anderen Grund beruhigend: Sonnenfinsternisse mit den starken Schwankungen beim Solarstrom ähneln einer Situation, die in Zukunft öfter vorkommen könne, weil der Strommix irgendwann überwiegend aus Strom von erneuerbaren Quellen mit einer fluktuierende Einspeisung bestehen wird. "Ein unlösbares Problem für die Stromnetze ist das nicht", so Tschamber. "Die Sonnenfinsternis zeigt uns aber, in welche Richtung sich der deutsche Kraftwerkspark mit seinem Kapazitäten entwickeln muss. Unflexible Braunkohlekraftwerke passen in die fortgeschrittene Energiewende jedenfalls nicht."

Quelle: IWR Online
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