07.12.2016, 15:26 Uhr

AKW-Entschädigung: Schäuble ganz entspannt

Münster – Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg der Bundesregierung hat hohe Wellen geschlagen. Fest steht nun, dass das Atomausstiegsgesetz von 2011 verfassungskonform war. Dennoch sollen die klagenden AKW-Betreiber RWE, Eon und Vattenfall eine „angemessene“ Entschädigung erhalten. Die politischen Reaktionen sind breit gefächert.

Politiker der Regierungsparteien und auch aus weiten Teilen der Opposition zeigen sich zumindest in einem Punkt einig: Es herrscht Erleichterung darüber, dass der Ausstieg von 2011, den die damalige Regierungskoalition aus Union und FDP in Folge der Reaktorkatastrophe im Schnellverfahren unter Dach und Fach gebracht hatte, nun auch von den Verfassungsrichtern bestätigt wurde. Doch das war es auch schon mit Einigkeit.

Hendricks: Milliardenforderungen der Konzerne vom Tisch

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erklärte, sie sei sehr zufrieden mit der Entscheidung. Das Bundesverfassungsgericht habe bestätigt, dass das Atomausstiegsgesetz von 2011 im Wesentlichen mit unserer Verfassung im Einklang stehe. Hendricks weiter: „Sowohl die Einführung fester Abschalttermine als auch die Staffelung der Abschaltfristen sind verfassungskonform. Verfassungskonform sind auch die entschädigungslose Rücknahme der Laufzeitverlängerungen von 2010 und das Gesetzgebungsverfahren selbst. Die Milliardenforderungen der Konzerne sind mit dem heutigen Tage vom Tisch.“ Das Gericht sieht lediglich in einem Randbereich des Gesetzes zu den beiden AKW Krümmel und Mülheim-Kärlich einen Sonderfall, der jedoch die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes insgesamt nicht in Frage stellt. Für diese beiden Anlagen muss der Gesetzgeber nunmehr einen Ausgleich schaffen.

Schäuble: Auswirkungen des Urteils „nicht so aufregend“

Betont gelassen gibt sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Laut einer Agenturmeldung habe er die Auswirkungen des Verfassungsgerichtsurteils zum beschleunigten Atomausstieg als "nicht so aufregend" charakterisiert. Schäuble wisse gar nicht, ob die finanziellen Folgen des Urteils überhaupt die Haushalte 2017 oder 2018 beträfen.

Hofreiter: Schwarz-gelbe Regierung einfach schlecht gearbeitet

Auch die Oppositionspolitiker von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen sind im Grunde froh um die grundsätzliche Bestätigung des beschleunigten Atomausstiegs. Fraktionschef Anton Hofreiter: „Ich bin erleichtert – das Verfassungsgericht hat den Atomausstieg bestätigt. Er muss jedoch nachgebessert werden. Es rächt sich jetzt, dass die damalige schwarz-gelbe Regierung einfach schlecht gearbeitet hatte. Wir werden jetzt darauf achten, dass nicht erneut Geschenke an die Atomindustrie verteilt werden. Die Entschädigung muss sich auf das Notwendigste beschränken.“

Sein Parteikollege Franz Untersteller, Umweltminister in Baden-Württemberg, betont ebenfalls, dass die Milliardenforderungen der Energieversorger vom Tisch sind. Untersteller weiter: „Der Rechtsauffassung der klagenden Energieversorger, sie seien damit enteignet worden, hat das Gericht eindeutig widersprochen. In diesem Punkt ist das ein gutes und beruhigendes Urteil.“

Sitte: Otto-Normalverbraucher trägt die Entschädigungslast

Petra Sitte von der Fraktion Die Linke beklagt laut MDR, dass sich die Atomkonzerne erneut eine goldene Nase verdienen könnten. Bei der Entschädigung, die das Gericht als notwendig erachtet, sei mal wieder der Otto-Normalverbraucher, nämlich der Steuerzahler im Boot.

Über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)zum Atomausstieg

Der Atomausstieg ist laut Verfassungsgericht im Wesentlichen verfassungskonform. Die Rücknahme der Ende 2010 (Ausstieg aus dem Atomausstieg) in großem Umfang zugeteilten Zusatzstrommengen, die Einführung fester Endtermine für den Betrieb der einzelnen Kernkraftwerke sowie die Staffelung der Abschaltfristen ist im Grundsatz mit dem Grundgesetz vereinbar. Der beschleunigte Atomausstieg aus dem Jahr 2011 ist laut BVerfG aber in zwei Punkten mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Artikel 14 GG) unvereinbar. Die Beträge über die Höhe der Entschädigungen reicht weit auseinander. Von einem "mittleren dreistelligen Millionenbetrag" geht die Anwaltskanzlei Becker Büttner Held aus, die die Länder Rheinland-Pfalz, NRW und Bremen vor dem Verfassungsgericht vertreten hat. Die Nachrichtenagentur afp zitiert in einer Meldung den Atomexperten Heinz Smital von Greenpeace mit einem Betrag in Höhe von 2,5 Mrd. Euro.

Quelle: IWR Online

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