08.12.2016, 08:25 Uhr

AKW-Entschädigung löst sich fast in Luft auf

Münster – Anfang der Woche hatte das Bundesverfassungsgericht den beschleunigten Atomausstieg von 2011 grundsätzlich gebilligt, den Atomkonzernen aber eine „angemessene“ Entschädigung zugesprochen. Diese könnte weitaus geringer ausfallen, als viele vermuten.

Am Dienstag (06.12.2016) hat das Bundesverfassungsgericht den Atomausstieg in weiten Teilen als rechtmäßig bewertet, den Atomkraftwerk(AKW)-Betreibern aber eine Entschädigung in zwei Punkten zugesprochen. Doch statt der geforderten 20 Milliarden Euro könnten die Betreiber nun sogar leer ausgehen.

Atomausstieg ist rechtmäßig – Milliardenforderungen vom Tisch

Das Bundesverfassungsgericht hat den am 31. Juli 2011 beschlossenen beschleunigten Atomausstieg („13. Atomgesetz(AtG)-Novelle“) in weiten Punkten als rechtmäßig eingestuft. Grundsätzlich ist die Rücknahme der Ende 2010 (Ausstieg aus dem Atomausstieg) in großem Umfang zugeteilten Zusatzstrommengen, die Einführung fester Endtermine für den Betrieb der einzelnen Kernkraftwerke sowie die Staffelung der Abschaltfristen im Grundsatz mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die 20-Milliarden-Euro-Forderungen der Stromkonzerne sind damit bereits vom Tisch, da sie sich auf einen im Ganzen rechtswidrigen Atomausstieg bezogen. Die Höhe der Entschädigungszahlungen hat das Gericht allerdings offen gelassen. Nachrichtlich werden bis zu 2,5 Milliarden Euro diskutiert.

Entschädigungen aus Vertrauensschutz und Reststrommenge möglich

Die tatsächliche Summe dürfte aber noch deutlich niedriger ausfallen. Entschädigungszahlungen ergeben sich für die Konzerne aus zwei Punkten. Die Betreiber müssen für Investitionen entschädigt werden, die sie im Zeitraum von Dezember 2010 bis März 2011 im Vertrauen auf die 2010 vereinbarte längere AKW-Laufzeit getätigt haben. Hieraus sind Energieexperten zufolge jedoch kaum oder keine Zahlungen zu erwarten, denn die Entschädigung bezieht sich nur auf Investitionen, die in diesem Zeitraum und mit kausalem Bezug zur Verlängerung der Laufzeiten tatsächlich getätigt wurden.

Ein weiterer Entschädigungsaspekt ergibt sich aus den 2002 zugeteilten AKW-Reststrommengen der AKW Krümmel (Vattenfall) und Mülheim-Kärlich (RWE), die die Betreiber nun nicht mehr aufbrauchen können. Hieraus ergibt sich insbesondere eine grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung der Energiekonzerne. Insgesamt geht es dabei um 8,5 Reaktorjahre bzw. 35 Mrd. Kilowattstunden (kWh) Atomstrom für RWE und 45 bis 46 Mrd. kWh für Vattenfall, wie Energieexperten gegenüber IWR-Online erläutern. Für diese entgangenen Gewinne müssen die Konzerne entschädigt werden.

Bewertung der Reststrommenge ist entscheidend für Entschädigungshöhe

Eine oberste Schranke für die Entschädigung nach Reststrommengen liegt bei 2,5 Milliarden Euro, erläutert Greenpeace Atomexperte Heinz Smital auf Anfrage von IWR Online. Ausgehend von einem Gewinn von 1 Mio. Euro pro Tag, ergibt sich abzüglich Stillstandzeiten ein entgangener Gewinn von 300 Mio. Euro pro Jahr bzw. 2,5 Mrd. Euro für 8,5 Reaktorjahre. Dieser Wert basiert aber auf den höheren Strompreisen von 2008, schränkt Smital ein. Der Strompreis am Terminmarkt lag damals deutlich über acht Cent die kWh, aktuell notiert er bei drei Cent.

Smital: tatsächliche Entschädigung bei 0 bis einigen hundert Mio. Euro

Als Entschädigungen sind grundsätzlich finanzielle Zahlungen oder Laufzeitverlängerungen möglich. Der Energieexperte verweist jedoch auf eine elegante Möglichkeit. Eon muss das AKW Isar 2 wegen fehlender Reststrommengen vermutlich bereits vor dem gesetzlich festgeschriebenen Termin vom Netz nehmen, braucht also dringend Atom-Reststrommengen. Diese könne der Konzern von Vattenfall und RWE erwerben und damit die Ungleichbehandlung ausgleichen.

Eine solche konzernübergreifende Übertragung von Atomstrommengen hat es in der Praxis und auch schon beim ersten Atomausstieg gegeben, so Smital. Es verbleibe dann wohl noch eine Menge von 10 bis 20 Mrd. kWh, die tatsächlich zu entschädigen ist. Gleichzeitig kommt die Bundesregierung den Konzernen mit dem Atommüll-Deal sehr weit entgegen. Die Spanne der finanziellen Entschädigung sieht Smital daher bei „0 bis einigen hundert Mio. Euro“ und so „weit entfernt von ursprünglichen Forderungen der Konzerne“.

Quelle: IWR Online

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