30.03.2015, 16:24 Uhr

E.ON meldet junge Gaskraftwerke in Bayern zur Stilllegung an

Düsseldorf / München – E.ON will hochmoderne Gaskraftwerke stilllegen, weil sich der Betrieb nicht mehr lohnt. Es handelt sich um das Kraftwerk Irsching 5, das E.ON zusammen mit der HSE, Mainova und N-ergie betreibt, sowie um Irsching 4, das E.ON alleine gehört. Politiker aus Bayern schieben die Schuld hin und her.

Das Gemeinschafts-Kraftwerk Irsching 5 mit einer Leistung von 846 Megawatt (MW) soll zum 1. April 2016 vom Netz genommen werden. So haben es die Betreiber nun der Bundesnetzagentur und dem Netzbetreiber Tennet angezeigt. Irsching 5 war erst 2010 in Betrieb gegangen, Irsching 4 (550 MW) ist noch ein Jahr jünger.

Kraftwerke haben 2014 keinen Strom für den freien Markt geliefert

E.ON betont, dass die Gaskraftwerke mit Wirkungsgraden um die 60 Prozent zu den modernsten Gaskraftwerken Europas zählen. Irsching 4 sei eines er effizientesten Gaskraftwerke weltweit. Beide Kraftwerke werden laut E.ON seit zwei Jahren auf Basis eines Vertrags zwischen dem Netzbetreiber und den Eigentümern betrieben, der mit der Bundesnetzagentur verhandelt wurde. Dieser Vertrag sehe „eine Kostenteilung anhand der Einsätze im Markt und zur Stabilisierung des Stromsystems auf Anweisung des Netzbetreibers vor.“ Die zunehmenden Mengen Stroms aus erneuerbaren Energien und die niedrigen Großhandelspreise für Strom würden mittlerweile aber keinen Einsatz am Markt mehr zulassen.

Im Jahr 2014 hat das Kraftwerk nach Angaben der Betreiber zu keiner Stunde Strom für den Markt produziert. Die Blöcke Irsching 4 und 5 kamen im vergangenen Jahr ausschließlich dann zum Einsatz, wenn ihre Leistung zur Stabilisierung des Stromsystems gebraucht wurde. Für solche Einsätze auf Anweisung des Netzbetreibers erhalten die Eigentümer der Kraftwerksblöcke eine vertraglich vereinbarte Vergütung. Diese reiche gerade aus, um die entstehenden Kosten zu decken und basiert auf allgemeiner Regulierungspraxis.

Bei Ablehnung der Stilllegung könnte Klage folgen

Nach Auslaufen des Vertrags müssten die Gaskraftwerke ihre Kosten vollständig am Markt verdienen, teilten E.ON und Co. mit. Dafür gebe es jedoch „vor dem Hintergrund niedriger Großhandelspreise und wachsender Einspeisung aus erneuerbaren Energien keine Perspektive“. Um keine roten Zahlen schreiben zu müssen, sehen die Eigentümer keine Alternative zu einer Stilllegungsanzeige.

Sollte der Netzbetreiber die Stilllegung wegen Systemrelevanz untersagen, fielen Irsching 4 und 5 unter die Reservekraftwerksverordnung. Diese wurde erlassen, um Kraftwerke am Netz zu halten, die für die Sicherheit der Stromversorgung unabdingbar sind. Damals ging der Gesetzgeber jedoch davon aus, dass ausschließlich ältere, bereits abgeschriebene Kraftwerke davon betroffen sind. Diese Verordnung erkennt wesentliche Kostenfaktoren neuerer Anlagen, vor allem Abschreibungen und Kapitalkosten, nicht an und ist eine Verschlechterung im Vergleich zur derzeitigen vertraglichen Vereinbarung. Ein wirtschaftlicher Betrieb auf Basis dieser Verordnung ist somit nicht möglich. Die Eigentümer wären gezwungen, ihre Anlagen nicht kostendeckend zu betreiben. Deshalb behalten sie sich für den Fall eines Widerspruchs gegen die Stilllegung den Rechtsweg vor.

Aigner: Stilllegungs-Pläne von E.ON als Weckruf für Gabriel

Bayerns Energieministerin Ilse Aigner sieht in der Stilllegungsanzeige der Gaskraftwerke Irsching 4 und 5 einen „Weckruf für Sigmar Gabriel“. Aigner: „Die Eigentümer der Gaskraftwerke Irsching sehen keine Perspektive für einen wirtschaftlichen Betrieb nach dem Auslaufen der aktuellen vertraglichen Regelung. Sie sind deshalb zur Stilllegungsanzeige gezwungen.“

Dieser Vorgang zeige, wie unzureichend die Rahmenbedingungen für den Betrieb konventioneller Kraftwerke sind, sagt Aigner. „Der Bundeswirtschaftsminister muss jetzt sofort handeln und den wirtschaftlichen Betrieb solch moderner und umweltfreundlicher Gaskraftwerke wie Irsching ermöglichen. Sie seien für eine sichere Stromversorgung Bayerns, unverzichtbar, weil sie auch Strom liefern, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.“ Aigner weiter: „Gabriel redet zu viel über den Stromtransport und zu wenig über die Stromproduktion.“

Grüne: Keine Überraschung - Weckruf für Seehofer

Für die Grünen im Bayerischen Landtag (18 Sitze; CSU: 101 Sitze, SPD: 42 Sitze) kommt die Stilllegungsanzeige von E.ON nicht überraschend. "Angesichts von gigantischen Kraftwerksüberkapazitäten kommen Gaskraftwerke in Deutschland nicht in den Markt", erklärt der Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann. "Diese Meldung sollte ein Weckruf für Horst Seehofer sein: Solange gefährliche Atomkraftwerke und dreckige Braunkohlekraftwerke den Strommarkt dominieren, haben Gaskraftwerke wenig Chancen."

Freie Wähler: Landeregierung in Bayern handelt unverantwortlich

Die Freien Wähler (19 Sitze im Landtag) stellen fest, dass Bayern nun das nächste Problem in der Energiewende habe. Für Thorsten Glauber, Energie- und Wirtschaftsexperte der Freie Wähler Landtagsfraktion ist es unverantwortlich, dass die Staatsregierung Bayerns HGÜ-Trassen wie der Süd-Ost-Passage im Bundesrat zustimmt, welche Braunkohlestrom nach Bayern transportiere. Glauber: „Im Bereich der Erneuerbaren Energien marschiert Bayern – vor allem wegen der 10H-Regelung – rückwärts. Nun schließen wir auch noch das modernste Gaskraftwerk, das als Reservekapazität für die Erneuerbaren enorm wichtig ist. Ich mache mir wirklich langsam Sorgen um den Energie- und Wirtschaftsstandort Bayern. Anstatt unsinniger Symbolpolitik sollte die CSU-Staatsregierung in Berlin lieber eine vernünftige Energie- und Wirtschaftspolitik machen.“

Quelle: IWR Online
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