Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz legen Beschwerde gegen belgische Atomkraftwerke ein
Düsseldorf / Mainz – Die rot-grün-regierten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden gemeinsam Beschwerde gegen den Betrieb der umstrittenen Atomkraftwerke in Belgien bei der Europäischen Kommission und bei den Vereinten Nationen einlegen. Bei der Laufzeitverlängerung für diese Anlagen sei die Umweltverträglichkeitsprüfung unterlassen worden, so die Begründung.
Die beiden Bundesländer wären von den Folgen eines Nuklear-Unfalls erheblich betroffen. Nach der gesetzlichen Laufzeitverlängerung sollen die Atomkraftwerke (AKW) Doel 1 und 2 sowie Tihange 1 bis ins Jahr 2025 am Netz bleiben.
NRW-Minister Remmel hat erhebliche Zweifel an der Betriebssicherheit
Die belgischen Atomkraftwerke Doel 1, Doel 2 und Tihange 1 wurden zwischen 1974 und 1975 in Betrieb genommen und sollten nach belgischem Recht eigentlich 2015 vom Netz gehen. Durch eine zwischenzeitliche Gesetzesänderung wurde die Laufzeit der Reaktoren bis 2025 verlängert. Das NRW-Landeskabinett hat nun den Weg für die Beschwerde gegen diese Verlängerung frei gemacht. "Doel 1 und 2 sowie Tihange 1 sind umstrittene Alt-Reaktoren, deren Laufzeiten ohne förmliche Beteiligung der Nachbarstaaten weit über die geplante Lebensdauer von 40 Jahren hinaus verlängert und bei der die Gewinnmaximierung vor das Vorsorgeprinzip gestellt wurde", sagte Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90 / Die Grünen). "Zusammen mit Rheinland-Pfalz würden wir in NRW zu den potentiell erheblich betroffenen Gebieten gehören, wenn es bei den Uralt-Reaktoren zu einem nuklearen Ernstfall kommt und radioaktive Stoffe frei gesetzt werden", kritisierte Remmel weiter. Man habe erheblichen Zweifel nicht nur an der Betriebssicherheit, sondern auch, ob die Laufzeitverlängerung durch die belgische Regierung mit europäischem und internationalen Recht vereinbar ist.
Rheinland-Pfalz: Lemke fordert Beteiligung an der Laufzeitverlängerung
Die rheinland-pfälzische Energieministerin Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) sieht belgisches und europäisches Recht verletzt: „Die Auswirkungen eines Unfalls in Tihange und Doel würden nicht an der Grenze zu Rheinland-Pfalz Halt machen. Im Zweifel wären wir massiv von der Freisetzung radioaktiver Stoffe betroffen. Wir halten es deshalb für zwingend erforderlich, dass eine Entscheidung für eine Laufzeitverlängerung nicht ohne Beteiligung der Nachbarn stattfindet. Wir hoffen, dass die EU-Kommission und das ESPOO Implementation Committee von Belgien einfordern werden, die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nachzuholen.“
Studie bestätigt Notwendigkeit einer UVP
Ein von NRW und Rheinland-Pfalz gemeinsam im Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt nun zum Ergebnis, dass es sich bei den Laufzeitverlängerungen faktisch um erhebliche Änderungen der ursprünglichen Genehmigungen handelt, für die nach Europäischen Richtlinien und der so genannten ESPOO-Konvention eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich gewesen wäre. An einem solchen Verfahren hätten unter Beachtung des grenzüberschreitenden Charakters auch die Nachbarstaaten beteiligt werden müssen. "Dies wurde jedoch von Belgien unterlassen", kritisierte Minister Remmel.
Mit der Beschwerde wollen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erreichen, dass die EU-Kommission prüft, ob eine Vertragsverletzung vorliegt und daher ein entsprechendes Verfahren gegen Belgien eingeleitet werden muss.
Quelle: IWR Online
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