10.04.2014, 16:29 Uhr

Wirbel um vermeintliches Staats-Kraftwerk: Was sagen Regierung und Netzagentur?

Münster – Ein Artikel in der Welt um ein angeblich vom Staat geplantes Kraftwerk hat am Donnerstagvormittag für Unruhe in Behörden, Verbänden und Ministerien gesorgt. Doch ganz so konkret, wie die Planungen dem Bericht zufolge erscheinen, sind diese bei näherer Betrachtung nicht.

Fakt ist, dass die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) nach Berlin reisen, um sich noch am Donnerstag über die zukünftige Energieversorgung in ihren Ländern zu informieren. Die Planung eines staatlichen Kraftwerks wird allerdings zurückgewiesen.

Hohmann: Bislang kein Bedarf für Kraftwerks-Neubau

Auch die Bundesnetzagentur geht hinsichtlich der Aussagen in dem Welt-Artikel über konkrete Maßnahmen auf Abstand. BNetzA-Präsident Jochen Hohmann erklärte auf Anfrage von IWR Online: „Die bisherigen Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber haben keinen Bedarf für den Neubau eines Kraftwerkes ergeben. Lediglich für den Fall, dass die Übertragungsnetzbetreiber bei heutiger Analyse zu einem anderen Ergebnis kommen hat die Bundesnetzagentur rein vorsorglich ein Gutachten zu möglichen Vergabeverfahren in Auftrag gegeben." Im Gespräch mit IWR Online wies eine Sprecherin der BNetzA zudem darauf hin, dass die Behörde für ein derartiges Ausschreibungsverfahren überhaupt nicht zuständig ist. Dies sei – sofern denn überhaupt ein entsprechender Bedarf festgestellt werden sollte – Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber.

Wirtschaftsministerium: Es gibt keine Planungen für ein Staats-Kraftwerk

Auch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) weist derartige Pläne zurück: In einer Stellungnahme der Pressestelle heißt es, dass es keine Planungen gibt, ein „Staatskraftwerk“ zu errichten oder einen entsprechenden Neubau staatlich anzuordnen. Es gebe ein klar geregeltes Verfahren, um den Reservebedarf für die kommenden Winter zu prüfen und die benötigten Reservekraftwerke zu beschaffen. Die Übertragungsnetzbetreiber würden in diesem Verfahren unter anderem prüfen, welcher Reservebedarf für den Winter 2017/2018 besteht. Ergebnisse lägen allerdings noch nicht vor. Zudem weist das BMWi darauf hin, dass der Reservebedarf vorrangig aus bereits bestehenden Kraftwerken gedeckt wird. Nur in Ausnahmefällen sei die Errichtung eines neuen Kraftwerks denkbar. Nach den der Bundesregierung gegenwärtig vorliegenden Informationen bestehe ein solcher Ausnahmefall aber nicht.

Wie sieht es im Winter 2017/2018 aus?

Dennoch sind Aigner und Untersteller beunruhigt: Beide haben sich am Donnerstag auf den Weg nach Berlin gemacht und werden dort den Staatssekretär des BMWi, Rainer Baake, treffen. Die Minister wollen sichergehen, dass auch nach der Abschaltung der beiden Atomkraftwerke (AKW) Grafenrheinfeld in Nordbayern im Mai 2015 und Gundremmingen an der Landesgrenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg Ende 2017 nicht die Lichter ausgehen. E.ON hatte Ende März 2014 angekündigt, das AKW in Grafenrheinfeld bereits im Mai und nicht wie ursprünglich geplant im Dezember 2015 vom Netz zu nehmen. Diese Maßnahme hält die BNetzA für beherrschbar. Laut Welt-Artikel sieht die Behörde nun möglicherweise für den Winter 2017/2018 einen Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten. Eine Rolle spiele dabei auch das AKW im französischen Fessenheim nahe der deutsch-französischen Grenze. Diesen Meiler wollen die Franzosen Ende 2016 vom Netz nehmen.

VKU nutzt Gelegenheit und erneuert Forderung nach Kapazitätsmarkt

Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat sich zu dem angeblich geplanten Kraftwerk geäußert. Für VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck wäre es der Anfang vom Ende des Wettbewerbs im Bereich der Energieerzeugung, wenn sich das Staatskraftwerk bewahrheiten sollte. Reck weiter: „Statt hier mit dirigistischer Staatsintervention vorzugehen und den Staat zum Energieerzeuger zu machen, sollten die Rahmenbedingungen für eine marktliche Lösung des aufziehenden Versorgungssicherheitsproblems geschaffen werden. Die Energiewirtschaft schlägt das vom VKU entwickelte Modell eines dezentralen Leistungsmarktes vor.“ Gemeint ist damit der in den vergangenen Monaten intensiv diskutierte Kapazitätsmarkt, bei nicht mehr wie bislang ausschließlich der erzeugte Strom, sondern auch bloße Bereitstellung von Leistung vergütet werden würde. Reck weist zudem einen weiteren Lösungsansatz auf: “Zudem muss auch der Netzausbau weiter vorangetrieben werden.“

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