22.12.2016, 10:04 Uhr

Einheitliche Netzentgelte auf der Zielgeraden

Berlin – Im Weißbuch Strommarkt der Bundesregierung ist das Ziel eines einheitlichen Übertragungsnetzentgeltes fixiert. Doch eine solche Umstellung bringt erhebliche Auswirkungen auf den Strompreis in verschiedenen Regionen Deutschlands mit sich. Die Bundesregierung treibt das Vorhaben voran, die Übertragungsnetzbetreiber sind sich uneins.

Laut Weißbuch Strommarkt von Juli 2015 sollen Anpassungen an den Netzentgelten vorgenommen werden, um dem sich wandelnden energiewirtschaftlichen Umfeld Rechnung zu tragen. Der Bundesregierung geht es um eine „faire Lastenverteilung“. Derzeit divergiert die Höhe der Netzentgelte in Deutschland je nach Region erheblich.

BMWi: Gesetzentwurf wird finalisiert

An der Umsetzung dieser Maßnahme arbeitet die Bundesregierung derzeit: Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur bereits vorgelegt. Die Anhörung von Verbänden und Ländern ist abgeschlossen. Wie das BMWi auf Anfrage von IWR Online mitteilt, wird der Gesetzentwurf derzeit finalisiert. Im nächsten Schritt stehe die Beschlussfassung im Bundeskabinett an.

Über die Ergebnisse der Netzentgelt-Studie

Eine aktuelle Studie des Kölner Instituts ewi Energy Research & Scenarios gGmbH im Auftrag des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) Amprion zeigt die Gewinner und Verlierer einer solchen Vereinheitlichung der Netzentgelte auf. Eine Vereinheitlichung der Netzentgelte auf Übertragungsnetzebene führt nach Auffassung der Wissenschaftler zu einer teils deutlichen Veränderung der Entgeltbelastung für Letztverbraucher. Während die Belastung in den Netzgebieten von Amprion und TransnetBW steigt, sinkt sie demnach in den Netzgebieten von 50Hertz und Tennet. Zudem fallen die Auswirkungen umso größer aus, je höher die Spannungsebene ist, an der die Letztverbraucher angeschlossen sind. Für das Jahr 2015 stehen sich einerseits Steigerungen von bis zu 31 Prozent auf der anderen Seite Senkungen von bis zu 14 Prozent gegenüber. Allerdings bewegen sich die Be- und Entlastungen im Haushaltsbereich im einstelligen Euro-Bereich. Für das Jahr 2017 würden sich die Effekte verstärken, so das ewi. Auf Höchstspannungsebene steigen die Netzentgelte um bis zu 72 Prozent und sinken um bis zu 28 Prozent. Davon wären insbesondere Industriekunden betroffen.

Streit unter den Übertragungsnetzbetreibern

Die Meinung der ÜNB fällt unterschiedlich aus. Vereinfacht gesagt, plädieren diejenigen Netzbetreiber, die von einer Vereinheitlichung profitieren, naturgemäß für diese Maßnahme. Diejenigen, die sich durch eine Vereinheitlichung benachteiligt sehen, lehnen das Vorhaben ab. ÜNB Tennet, der das Übertrgungsnetz von der Nordseeküste in einem schmalen Korridor bis nach Bayern betreut, unterstützt die Forderung von bayerischen Stadtwerken nach einheitlichen Netzentgelten. Urban Keussen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Tennet TSO GmbH, erklärte im November: „Heute sehen wir stark divergierende Netzentgelte im Stromübertragungsnetz, verursacht durch die ungleiche Verteilung der Kosten für die Energiewende.“ Dabei würden alle Stromverbraucher in Deutschland in gleichem Maß vom Netzausbau und den Netzstabilisierungsmaßnahmen im Übertragungsnetz profitieren.

Auch der ostdeutsche ÜNB 50Hertz fordert, die „zum Teil signifikant unterschiedlich hohen Netzentgelte“ der vier ÜNB möglichst rasch bundesweit zu vereinheitlichen. "Wir lehnen bundeseinheitliche Netzentgelte ab", sagte hingegen Amprion-Geschäftsführer Hans-Jürgen Brick im September der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Grund: Die rund 27 Mio. Stromkunden im Versorgungsgebiet von Amprion in Westdeutschland müssten draufzahlen und industriellen Kunden würden zusätzliche Kosten in Millionenhöhe drohen.

Quelle: IWR Online

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