Strom für KI-Rechenzentren: Neuer Wettlauf zwischen Brennstoffzellen und Mini-Atomkraftwerken
Münster – Die weltweite Stromnachfrage wird Prognosen zufolge zunehmend auch durch Künstliche Intelligenz, Cloud-Dienste und die Digitalisierung industrieller Prozesse angetrieben. Im Fokus vieler Betreiber von Rechenzentren und Investoren standen bislang insbesondere Small Modular Reactors (SMRs) – grundlastfähige Mini-Atomkraftwerke, die als Schlüsseltechnologie für eine stabile Energieversorgung galten.
Umso überraschender ist die aktuelle Entscheidung von Oracle, künftig auf Brennstoffzellensysteme zur Stromversorgung seiner Rechenzentren zu setzen. Das Comeback der Brennstoffzelle in diesem Bereich markiert einen Paradigmenwechsel – mit potenziell weitreichenden Folgen.
Brennstoffzellen: Sofort verfügbar, grundlastfähig und hochflexibel – maßgeschneidert für KI-Rechenzentren
Oracle und Bloom Energy haben eine strategische Partnerschaft angekündigt, die die Energieversorgung von KI-Rechenzentren grundlegend verändern könnte. Bloom Energy wird seine Brennstoffzellentechnologie in ausgewählten Oracle Cloud Infrastructure (OCI) Rechenzentren in den USA implementieren.
Besonders attraktiv für Unternehmen wie Oracle ist die Kombination aus technischer Reife und schneller Einsatzbereitschaft: Die kompakten Anlagen lassen sich innerhalb von 90 Tagen installieren – direkt vor Ort im Rechenzentrum, ohne zusätzliche Stromtrassen oder Netzanbindungen. Dank ihres modularen Aufbaus kann die Leistung flexibel skaliert werden: Je höher der Energiebedarf, desto mehr Zellen lassen sich ergänzen.
Flexibilität, Skalierbarkeit, Grundlastfähigkeit und Unabhängigkeit sind entscheidende Vorteile in einer Zeit, in der KI-Clouds hochverfügbare Energie in Echtzeit benötigen. Die Brennstoffzellensysteme werden mit Wasserstoff betrieben, aktuell häufig noch mit grauem Wasserstoff aus Erdgas, perspektivisch ist auch der Betrieb mit grünem Wasserstoff realisierbar: klimaneutral und regional vor Ort erzeugbar.
Die Finanzmärkte reagierten positiv: Die Aktie von Bloom Energy stieg um fast 23 Prozent auf den höchsten Stand seit drei Jahren. Analysten wie UBS und JPMorgan erhöhten ihre Kursziele deutlich – auf 51 USD bzw. 33 USD – und bekräftigten damit das Vertrauen in das Potenzial nachhaltiger Energieversorgung für die KI-Infrastruktur.
Mini-Atomkraftwerke: lange Bauzeiten, hohe Investitionen, geringe Skalierbarkeit
Mini-Atomkraftwerke (SMRs) galten lange als ernstzunehmende Alternative zu fossilen Kraftwerken, wenn es um die Stromversorgung leistungsstarker Rechenzentren geht. Jüngst hat das US-Unternehmen NuScale Power einen wichtigen Meilenstein erreicht: Im Mai 2025 erteilte die US-amerikanische Nuklearaufsicht NRC (Nuclear Regulatory Commission) die Standard Design Approval (SDA) für das 77-Megawatt-Modell des NuScale Power Modules™.
Diese Genehmigung ist jedoch lediglich ein erster Schritt. Für den Bau eines Prototyps sind weitere zentrale Etappen erforderlich, darunter Standortauswahl, Genehmigungsverfahren, Finanzierung und schließlich der eigentliche Bau. Der nächste entscheidende Schritt ist die Beantragung und Genehmigung der „Combined License“ (COL) für einen konkreten Standort. Erst mit dieser Lizenz kann überhaupt mit dem Bau eines ersten SMR-Prototypen begonnen werden.
Obwohl SMRs als klimafreundlich und grundlastfähig gelten, sind sie in ihrer Umsetzung komplex, kostenintensiv und nicht kurzfristig verfügbar. Selbst die fortgeschrittensten Projekte in den USA – etwa von NuScale oder X-Energy – werden frühestens ab 2029 ans Netz gehen. Längere Genehmigungsprozesse, umfangreiche Sicherheitsauflagen und hohe Investitionen machen SMRs zu langfristigen, aber auch risikobehafteten Großprojekten.
Hinzu kommen Unsicherheiten bei den tatsächlichen Baukosten, Bauzeiten sowie regulatorische Hürden, die häufig auf politische Widerstände treffen. Für technologiegetriebene Tech-Unternehmen, die jetzt skalieren und neue Rechenzentren schnell errichten müssen um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind SMRs schlicht zu spät – selbst wenn sie langfristig einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten könnten.
Quelle: IWR Online © IWR, 2025
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